Sonntag, 31. Mai 2009

Endstation Fenrich ?

Die Stadt Karlsruhe möchte ihre Bürger mit einer U-Bahn beglücken - doch viele Bürger wollen sie gar nicht. Sie fürchten den zehnjährigen Baustress, die "Vermüllung" der Stadt und glauben zudem an billigere Lösungen, um den Strassenbahnstau in der Innenstadt zu vermeiden. Zum Beispiel durch eine intelligentere Streckenführung. Derzeit werden zum Beispiel die überlangen S-Züge aus Freudenstadt - leer(!) und lediglich zum Wenden - durch das Nadelöhr Kaiserstrasse geleitet; man könnte sich leicht ein besseres Streckenmanagement ausdenken.

Viele Menschen fürchten auch die technischen Gefahren, die mit dem Bau einer U-Bahn verbunden sind. In München stürzte vor einigen Jahren ein vollbesetzter Linienbus in ein Loch, das sich am Truderinger Bahnhof plötzlich aufgetan hatte. Die Ursache war ein Grundwassereinbruch im darunterliegenden frisch gegrabenen Tunnel. Das Gleiche passierte voriges Jahr in Peking. In Amsterdam sind durch den U-Bahnbau seit 2008 eine grosse Anzahl von Gebäuden einsturzgefährdet. Und in Barcelona bangt die Bevölkerung um Gaudis berühmte Kathedrale Sagrada Familia, neben der ein Bahntunnel geplant wird. Bereits im Jahr 2005 verschwanden in der katalanischen Hauptstadt mehrere Häuser in einem eingestürzten Tunnel und Hunderte von Menschen mussten umgesiedelt werden.

Noch frisch in Erinnerung ist das Unglück von Köln. Beim dortigen U-Bahnbau kam es zum Einsturz des historischen Stadtarchivs, wobei zwei Menschen ihr Leben verloren. Die unmittelbare technische Ursache war ein sogenannter "hydraulischer Grundbruch", eine Erdverschiebung im Untergrund. Hinzu kam, wie jetzt zutage tritt, ein beträchtlicher Kompetenzwirrwarr zwischen städtischen und ausgelagerten Behörden.

Besorgte Karlsruher Bürger fragten bei der Stadtverwaltung nach, ob dergleichen auch hier passieren könne. Die Antwort war, zusammengefasst: "Nein, in Karlsruhe ist alles anders und die Bauaufsicht ist besser". Diese Behauptung soll im Folgenden etwas genauer hinterfragt werden.

So wird behauptet, ein hydraulischer Grundbruch könne in Karlsruhe nicht auftreten, weil man nur in 20 Meter Tiefe gehe, während es in Köln 40 Meter seien. Das ist natürlich Unsinn. Ein Grundbruch entsteht, wenn der Boden der Baugrube nicht hinreichend abgedichtet ist. Beim Abpumpen des Grubenwassers kann wegen der Druckdifferenz von unten durch den Boden Grundwasser hochströmen, riesige Mengen Erdreich mitreissen und darüberstehende Gebäude zum Einsturz bringen. Die Festigkeit des Grubenbodens und die Menge des abzupumpenden Wassers sind also ebenfalls Risikofaktoren für einen hydraulischen Grundbruch - nicht nur die Tiefe der Baugrube allein.

Die grundsätzliche Organisationsstruktur der Bauträger ist in Köln und Karlsruhe praktisch deckungsgleich. Bauherrin für die U-Bahn in Köln sind die "Kölner Verkehrsbetriebe" (KVB), eine ausgelagerte Gesellschaft der Stadt Köln. In Karlsruhe ist dies die "Karlsruher Schieneninfrastrukturgesellschaft" (KASIG), ebenfalls eine städtische Tochtergesellschaft.Um die Verwaltung zu "verschlanken", wurden in beiden Städten hoheitliche Aufgaben an Stadttöchter übertragen, die nicht von vornherein eigene Kompetenz mitbrachten.

In Köln hatte die Stadt ursprünglich das alleinige Sagen beim U-Bahn-Bau. Mit der Übertragung an die KBV ging viel bauherrliches Fachwissen verloren. In Karlsruhe wundert man sich, dass der langjährige und erfahrene Leiter der U-Bahn-Planung (Gerhard Schönbeck, alias "Mister Kombi") kürzlich durch den Bauleiter der Verkehrsbetriebe (Uwe Konrath) ersetzt worden ist.

Was die grundsätzliche Bauorganisation anlangt so wird die Kölner KVB zu Recht dafür kritisiert, dass sie als Bauherrin zur gleichen Zeit die Bauaufsicht ausgeübt habe. Bauausführung und Kontrolle lagen also in einer Hand, ein fundamentaler Managementfehler.

Wie steht es damit in Karlsruhe? Nun, zur grössten Überraschung liest man in der Lokalzeitung BNN, dass die Bauherrin Kasig bereits die meisten Gutachten zur Bewertung ihrer eigenen Planung selbst in Auftrag gegeben habe. Das ist ein grober Fehler! Der Neutralität wegen hätte eine unabhängige Stelle diese Aufträge erteilen und die Gutachten unabhängig bewerten müssen. Die Unabhängigkeit in dieser Sache ist auch notwendig, um geschäftliche Abhängigkeiten auszuschliessen. Andernfalls könnte sich ein politisch motivierter Sparzwang beim Auftraggeber (gleich Bauherrin) verheerend auswirken.

Mit dem Bau der Karlsruher U-Bahn soll im Januar 2010 begonnen werden. Wie steht es mit der Bauaufsicht? Nun, die oberste Kontrollfunktion für das Projekt liegt formal beim Regierungspräsidium. Diese kann vor Ort aber nur punktuell prüfen und hat der Kasig zugestanden, die Bauaufsicht selbst (!) auszuüben oder an ein externes Ingenieurbüro zu vergeben. Also: auch bei der begleitenden Kontrolle des U-Bahnbaus kann von Unabhängigkeit und Neutralität keine Rede sein. Die Bauherrin beaufsichtigt sich also zumindest partiell selbst. Bei der Deutschen Bundesbahn ist dies anders; hier kontrolliert das eigenständige Eisenbahnbundesamt.

Der Archiveinsturz in Köln hat dem dortigen langjährigen Oberbürgermeister Fritz Schramma den Job gekostet. Obwohl er kurz vor dem Unfall noch mit 94 Prozent der Stimmen erneut zum OB-Kandidaten für eine weitere Wahlperiode bestimmt worden war, hat ihn die Wut der Kölner Bevölkerung zum Rücktritt gezwungen. Die formale Verantwortung des KVB-Chefs Walter Reinarz und des zuständigen Baudezernenten im Bürgermeisteramt spielte da keine Rolle mehr.

Extrapolieren wir - hoffentlich nur rein theoretisch - was in Karlsruhe bei einem vergleichbaren Unglück geschehen würde. Kasig-Chef Walter Casazza und Baudezernent Michael Obert wären die unmittelbar Verantwortlichen. Aber treffen würde es wohl Heinz Fenrich, den Oberbürgermeister und und langjährigen Promotor des Projekts. Und Fenrich ist bereits angeschlagen. Seine Bauprojekte Neue Messe und Europabad wurden jeweils mit hohen Mehrkosten abgewickelt. Die Planungen beim Fussballstadium und der Nordtangente sind stecken geblieben, obschon zu "Chefsache" erklärt. Sein unglückliches Taktieren bei der Vergabe der Bundesgartenschau nimmt ihm die Karlsruher Bevölkerung heute noch übel. Und vor wenigen Tagen hat sich sogar seine eigene CDU-Fraktion öffentlich gegen ihn gestellt, weil er ein Computerfestival für "Ballerspiele" in Karlsruhe zulassen wollte. In Anbetracht der Amokläufe an Schulen sicherlich eine Stilfrage.

Fenrich scheint der politische Kompass abhanden gekommen zu sein. Von seinem OB-Büro aus kann er die wichtige U-Bahnhaltestelle "Marktplatz" überblicken.

Vielleicht wird sie zu Fenrichs Endstation.

2 Kommentare:

  1. Meine Seite zum Thema Archiveinsturz in Köln und zur U-Strab ganz allgemein.

    Nett finde ich ja die Wahlplakate der CDU:

    "Wir können Karlsruhe"

    ... untergraben! ;-)

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  2. zum Thema "Ballerspiele in Karlsruhe":
    "Und vor wenigen Tagen hat sich sogar seine eigene CDU-Fraktion öffentlich gegen ihn gestellt, weil er ein Computerfestival für "Ballerspiele" in Karlsruhe zulassen wollte. In Anbetracht der Amokläufe an Schulen sicherlich eine Stilfrage."

    Hierzu möchte ich etwas anmerken: Dass Fenrich in der Sache nicht mit seiner Fraktion in einer Linie stand war offensichtlich.

    Gleichzeitig möchte ich ihm aber zugute halten, dass er sich anscheinend als einziger Karlsruher CDU-Politiker die Mühe gemacht hat, sich abseits von Schlagzeilen über blutrünstige Killerspiele und deren angebliche Verbindung mit Winnenden mit Experten zu beraten und dadurch als einer von wenigen Politikern eine Meinung vertrat, die mehr von Sachwissen als von uninformierter Skandalisierung geprägt war.

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