Sonntag, 12. April 2009

Vom Trash zum Crash

Ein Gespenst geht um in Europa - und darüber hinaus. Das Gespenst des "crash", des wirtschaftlichen Zusammenbruchs, hervorgrufen durch ein Übermass an "trash", nämlich wertlosen, finanziellen Schrotts. Karl Marx, längst eingesargt, feiert fröhliche Urständ; sein dicker Wälzer, "Das Kapital", wird wieder aufgelegt, wenn auch nicht von allen Käufern unbedingt gelesen.

Es sind die modernen Katastrophenpropheten, welche die Bestsellerlisten stürmen. Der Wormser Volkswirtschaftler Max Otte mit seinem Buch "Der Crash kommt" und der Frankfurter Börsenhändler Dirk Müller, der den "Crashkurs" postuliert. Diese Crash-Ideologen schaffen es - anders als Karl Marx - auf zweihundert Seiten die Weltkrise "allgemeinverständlich" darzustellen und zum Schluss dem geneigten Leser sogar noch praktische Rezepte mitzugeben, wie er aus dem wirtschaftlichen Schlamassel wieder herauskommt - und zwar reicher, als er hineingegangen ist.

Max Otte lehrt an der Fachhochschule der Nibelungenstadt und war lange Zeit Gast im "Börsenspiel" des TV-Senders 3sat. Er lässt in seinem Buch mehrfach durchblicken, dass ihn die Nobelriege der deutschen Wirtschaftswissenschaftler nicht zu den Ihrigen zählt, worunter er etwas zu leiden scheint. Nun, einkommensmässig hat er diese Herrschaften mit seinem bereits 2006 erschienen Bestseller sicherlich längst überholt.

Otte hat in seinem Buch die Risiken des amerikanischen "Traum vom Eigenheim" klar erkannt. Wer dort ein freistehendes Einfamilienhaus erwirbt (und sei es in einer noch so monotonen Vorortsiedlung) fühlt sich mit einem Schlag als "richtiger Bürger" der Vereinigten Staaten. Otte machte schon frühzeitig auf die Risiken der gebündelten Hypothekenkredite aufmerksam mit welchen die Banker die Zahlungsströme (Zinsen und Rückzahlungen) in eine Anleihe umwandelten. Und auf die Hedgefonds, die Speerspitze der globalen Spekulation, welche sich durch sog. Leerverkäufe nahezu beliebig verschulden können - ohne von der Finanzaufsicht überwacht zu werden. Dies führte zu dem Schuldenimperium, mit dem die USA derzeit konfrontiert sind.

Anders beurteilt er die Situation in Europa. Dort hat man seit Jahrzehnten ein niedriges Wirtschaftswachstum und eine hohe Arbeitslosigkeit. Die Europäische Union ist für ihn eine bürokratische Superstruktur, die früher oder später kollabieren muss. Der Gemeinschaftswährung, dem Euro, gibt er allenfalls noch ein paar Jahre bis er abgeschafft wird. Die kommende Krise in Europa ist für Otte prinzipiell deflatorischer Natur - anders als in den USA, wo die Regierung versuchen wird, sich ihrer Schulden durch gezielte Inflation zu entledigen.

Und wie soll sich der "kleine Mann" auf diese Krisen vorbereiten? Nach Otte darf er in der Deflation so wenig Schulden wie möglich machen. Stattdessen soll er in "sichere Währungen" investieren, wozu weder Dollar, noch Euro, noch Yen gehören. Sie fragen, was übrig bleibt? Nun, der Schweizer Franken, der Singapur-Dollar und die Norwegische Krone. Für die ganz grosse Krise empfiehlt Otte das Vermögen in vier gleiche Gruppen aufzuteilen: Bargeld, Gold, Immobilien und Aktien. Schliesslich hält er Forst- Acker- und Weideland für eine gute Krisenanlage. Der Preis für land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen wird seiner Meinung nach "durch die Decke gehen."

Für Dirk Müllers Buch "Crashkurs" benötigt man kein BWL-Studium, sondern - wie er selbst zugibt - lediglich gesunden Menschenverstand. Er ist gelernter Bankkaufmann, seit längerem Kursmakler an der Frankfurter Wertpapierbörse und bezeichnet sich gerne als "Mister DAX". Mikro- und Makroökonomie sind nicht seine Sache, er bevorzugt die direkte Ansprache. Das zentrale Kapitel seines Buchs trägt deshalb auch die Überschrift: "Die wirtschaftliche Kernschmelze - das Horrorszenario".

Müller sieht die USA und Europa auf einer deflatorischen Abwärtsbewegung, an deren Ende eine ähnliche Weltwirtschaftkrise lauert wie im Jahr 1929. Den Ablauf stellt er sich folgendermassen vor: die Immobilienpreise, insbes. in den USA, fallen ins Bodenlose (welch ein passender Ausdruck!), die Aktienwerte sinken auf Altpapierniveau und überall herrscht Massenarbeitslosigkeit. Händeringend wird nur eines nachgefragt: Bargeld. Dieses ist nur zu hohen Zinsen zu erhalten; sogar Gold wird im Preis deutlich zurückgehen. Am Tiefpunkt, wenn die Aktienkurse "ausgebombt" sind und die Immobilien wie Sauerbier verschleudert werden, sollte man sein verbliebenes Bargeld "schnell" investieren.

Dieses Zeitfenster öffnet sich, nach Müller, nur ganz kurz - denn anschliessend führt die US-Regierung eine Währungsreform durch. Da die Staatsschulden sowieso nicht mehr rückzahlbar sind, erklärt man kurzerhand die Zahlungsunfähigkeit. Eine neue Dollarwährung wird eingeführt, die in einem gewissen Verhältnis mit Gold und Silber unterlegt ist. Die Regierung stattet die verarmten Bürger mit einem Grundbetrag aus, ähnlich wie die 40 DM Startgeld bei der Bundesrepublik im Jahr 1948. Die alten Dollars werden in einem gewissen Verhältnis, zum Beispiel 1:100, umgetauscht. Die einfachen Bürger fangen praktisch wieder bei null an, aber aufgrund der schrecklichen Erlebnisse während der vergangenen zwei oder drei Jahre geben sie sich damit zufrieden.

Auch für Europa sieht Müller ein neues Währunggefüge kommen. Die enorm hohen Bankengarantien von 500 Milliarden Euro sind für ihn ein Indiz, dass die deutsche Regierung nur noch auf kurze Zeit "den Laden zusammenhalten kann." In seiner Homepage spricht er von einem "wirtschaftlichen Tsunami", der im Begriffe ist an Land zu gehen. Er empfiehlt Lebensmittel zu bunkern und auf alles gefasst zu sein.

Müllers Buch ist derzeit auf Platz 13 in der Bestseller-Liste des "SPIEGEL". Offensichtlich scheint sein Schreckensszenario viele Menschen anzusprechen. Da er, wie gesagt, seine Vorstellungen nicht volkswirtschaftlich unterlegt, ist es schwer, diese einer seriösen Kritik zu unterziehen. Vielleicht sollte man sich daran erinnern, was die Rheinländer - und insbesondere die Kölner - in derart schwierigen Situationen an hilfreichen Sprüchen so von sich geben:

"Et kütt wie et kütt"

"Et hätt noch immer jot jegange"

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