Dienstag, 21. April 2009

Utz Claassen und kein Ende

(Wortmeldung bei der Hauptversammlung der EnBW Energie Baden-Württemberg AG am 23. April 2009 in der Stadthalle Karlsruhe. Text leicht redigiert.)

Sehr geehrte Damen und Herren.

Mein Name ist Dr. Willy Marth; ich bin Physiker und Betriebswirt.

Die Aufsichtsräte der EnBW haben bei der Gehaltsbemessung für den vormaligen Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Utz Claassen wenig Geschick bewiesen -aber was nun in den Medien über dessen sog. Übergangsgeld bekannt wird, das schlägt dem Fass den Boden aus.

Es veranlasst mich, die Entlastung des Aufsichtsrats nach Tagesordnung Punkt 4 abzulehnen.

Zur Begründung möchte ich mit einer kurzen Rückblende beginnen:

Dr. Claassen wurde vom damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Wolfgang Schürle in der norddeutschen Tiefebene entdeckt und im Mai 2003 als Vorstandsvorsitzender der EnBW angeworben.

Obschon bis dato ein absoluter Nobody im EVU-Geschäft, führte sich Claassen von anfang an lautstark ein. Zur Überraschung der meisten von uns erkannte er die EnBW als "Sanierungsfall".
Er entliess demzufolge mehr als die Hälfte der Mitarbeiter, ganze Führungsebenen wurden gekippt, den weiterhin Tätigen kürzte er 20 Prozent ihres Gehalts, den Rentnern wurde das Weihnachtsgeld sogar ganz gestrichen. Seinen Vorgänger Gerhard Goll bezichtigte er der Bilanzfälschung und verweigerte ihm jahrelang die Entlastung bei den Hauptversammmlungen.

Den Betriebsleiter von Neckarwestheim, Eberhard Grauf und dessen Chef Zaiss entliess er nach einer Diskussion über Sicherheitsfragen stante pede weil diese Claassens dilettantische Losung "null Fehler, null Toleranz" anzuzweifeln wagten.

Daneben entdeckte Claassen noch reichlich Defizite ausserhalb seines EnBW-Bereichs. Den armen Fussballklub KSC zwang er einen soeben geheuerten Trainer umgehend wieder zu entlassen - und kostenträchtig abzufinden.

Den Bürgermeister der Stadt Karlsruhe bedrohte er öffentlich wegen einer Kleinigkeit sogar mit einer Abmahnung!

Ebenfalls öffentlich bezeichnete er den baden-württembergischen Wirtschaftsminister Gerhard Pfister als "in seinem Amt überfordert."

Das war dann der Zeitpunkt, als ein anderer Minister, Andreas Renner, in einer Presseerklärung feststellte: "Claassen ramponiert das Image der EnBW... Claassen ist der Rambo unter den deutschen Managern." Ein Rambo! Wow! Vielleicht sollte man hinzufügen: ein Rambo in Nadelstreifen.

Mittlerweile wurde auch bekannt, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Schürle, (im Hauptberuf Landrat des Alb-Donau-Kreises) bei den Gehaltsverhandlungen von Claassen offensichtlich voll über den Tisch gezogen wurde. Fürstliche 4,2 Millionen Euro pro Jahr durfte dieser bei EnBW einsacken; bei seiner früheren Kleinfirma für Laborwaagen werden es allenfalls wenige hunderttausend gewesen sein.

Nein, Dr. Schürle, nicht nur Landrat sondern auch Schöngeist (als Herausgeber des "Schwabenspiegels) war seinem Angestellten offensichtlich nicht gewachsen - zu Lasten von uns Aktionären und der Stromkunden. Gerhard Goll, Claassens Vorgänger, machte den Job übrigens noch für schlappe 1 Million Euro per anno.

Im Jahr 2007 ging die Ära Claassen vorzeitig zu Ende. Der Ausichtsrat liess seinen Vorstandsvorsitzenden eine Zeitlang bei der anstehenden Vertragsverlängerung zappeln, Claassen wurde nervös und zog die Reissleine. Er verzichtete in einer öffentlichen Erklärung auf Vertragsverlängerung und ging sogar vorzeitig. Er hatte also de facto selbst gekündigt.

Meine Damen und Herren, versetzen Sie sich mal selbst in eine ähnliche Situation:
Sie üben einen befristeten Arbeitsvertrag aus, verzichten auf Verlängerung und gehen sogar vorzeitig. Würde Ihnen Ihr Chef noch jahrelang "Übergangsgeld" genehmigen? Nein, zum Teufel, er würde Ihnen allenfalls in den Hintern treten.

Nicht so bei den Nadelstreifenträgern der EnBW. Dr. Claus Dieter Hoffmann, der Schürle im Aufsichtsrat nachfolgte, zeigte sich gewissermassen als Gentleman. Er gewährte Claassen sogar noch ein Übergangsgeld.

Nein, nicht drei Monate lang für den Umzug, sondern über volle 19 Jahre, von dessen 44. Lebensjahr bis zum 63., also bis zum Eintritt in die Rente. (Über die Rentenhöhe danach ist noch nichts bekannt; sie wird vermutlich ähnlich üppig sein.)

Das Übergangsgeld beträgt opulente 398.000 Euro. Fürs blanke Nichtstun! Zum Vergleich: unsere Bundeskanzlerin, Frau Merkel, erhält pro anno lediglich 270.000 Euro und dafür hat sie einen knochenharten Job zu leisten.

So schlimm das klingen mag, diese Geldzumessung war nicht die einzige Fehlleistung unseres derzeitigen Aufsichtsratsvorsitzenden. Er hat darüberhinaus den Abfindungsvertrag so schwammig formuliert, dass Claassen behaupten konnte, er müsse sich zwischenzeitliche Einkünfte nicht anrechnen lassen, sofern er nur auf "Honorarbasis" arbeite.

Das tut er derzeit bei der Heuschrecke, pardon, bei der Finanzbeteiligungsfirma "Cerberus" in den USA. Die EnBW ist anderer Meinung weswegen man sich demnächst beim Landgericht Karlsruhe treffen wird. Claassen wird wieder mit seinem kampferprobten Anwaltstrio aufkreuzen, das ihn schon bei der Fussballticket-Affäre herausgepaukt hat.

Herr Dr. Hoffmann wird vom "Manager-Magazin" als Mann mit einem strengen Freizeitkonzept zitiert: nach 6 Wochen Arbeit mache er jeweils 2 Wochen Urlaub. Das sei ihm gegönnt, aber
bei den Abgangsverhandlungen mit Claassen muss sich unser AR-Vorsitzender wohl in der Ruhephase befunden haben.

Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Nachschrift:

Um 9 Uhr abends stand die Entlastung des Aufsichtsrats an. Mit Aplomb warf ich mein Aktien-Unikat als "Nein"-Stimme in die Urne. Tausende folgten mir, volle 8.729 Neinstimmen kamen gegen Hoffmann & Co. zustande. Das ist die gute Nachricht.

Die schlechte Nachricht ist, dass 236.287.649 "Ja"-Stimmen dagegen standen. Die Grossaktionäre hatten sich mit 99,99 Prozent knapp durchgesetzt.

Wäre ich Japaner, ich müsste jetzt Harakiri begehen. Glücklicherweise bin ich aber Deutsch-Bayer.

3 Kommentare:

  1. Ob er wohl wieder auf die schöne Staatsanwältin mit dem schönen Namen trifft? Ich wünsche ihr dann einen mutigeren Richter!

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  2. Lieber Herr Marth,
    Dank dafür, daß Sie das Kind beim Namen nennen! Wann werden deutsche Großaktionäre endlich aus ihrem Tiefschlaf aufwachen?
    C.Eitner.

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  3. In einem Interview mit der SZ am 28.3.2008 sagt Claassen auf die Frage, mit welchen Themen er sich zur Zeit befasse: „Beispielsweise mit sehr grundsätzlichen Fragen unserer Wirtschaftspolitik, Ordnungspolitik und Energiepolitik. Ebenso mit dem Werteverfall in unserer Gesellschaft.“ Ob ihm als einem der Nutznießer dieses Werteverfalls wohl neue Einsichten kommen?

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