Dienstag, 21. April 2009

Utz Claassen und kein Ende

(Wortmeldung bei der Hauptversammlung der EnBW Energie Baden-Württemberg AG am 23. April 2009 in der Stadthalle Karlsruhe. Text leicht redigiert.)

Sehr geehrte Damen und Herren.

Mein Name ist Dr. Willy Marth; ich bin Physiker und Betriebswirt.

Die Aufsichtsräte der EnBW haben bei der Gehaltsbemessung für den vormaligen Vorstandsvorsitzenden Prof. Dr. Utz Claassen wenig Geschick bewiesen -aber was nun in den Medien über dessen sog. Übergangsgeld bekannt wird, das schlägt dem Fass den Boden aus.

Es veranlasst mich, die Entlastung des Aufsichtsrats nach Tagesordnung Punkt 4 abzulehnen.

Zur Begründung möchte ich mit einer kurzen Rückblende beginnen:

Dr. Claassen wurde vom damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Wolfgang Schürle in der norddeutschen Tiefebene entdeckt und im Mai 2003 als Vorstandsvorsitzender der EnBW angeworben.

Obschon bis dato ein absoluter Nobody im EVU-Geschäft, führte sich Claassen von anfang an lautstark ein. Zur Überraschung der meisten von uns erkannte er die EnBW als "Sanierungsfall".
Er entliess demzufolge mehr als die Hälfte der Mitarbeiter, ganze Führungsebenen wurden gekippt, den weiterhin Tätigen kürzte er 20 Prozent ihres Gehalts, den Rentnern wurde das Weihnachtsgeld sogar ganz gestrichen. Seinen Vorgänger Gerhard Goll bezichtigte er der Bilanzfälschung und verweigerte ihm jahrelang die Entlastung bei den Hauptversammmlungen.

Den Betriebsleiter von Neckarwestheim, Eberhard Grauf und dessen Chef Zaiss entliess er nach einer Diskussion über Sicherheitsfragen stante pede weil diese Claassens dilettantische Losung "null Fehler, null Toleranz" anzuzweifeln wagten.

Daneben entdeckte Claassen noch reichlich Defizite ausserhalb seines EnBW-Bereichs. Den armen Fussballklub KSC zwang er einen soeben geheuerten Trainer umgehend wieder zu entlassen - und kostenträchtig abzufinden.

Den Bürgermeister der Stadt Karlsruhe bedrohte er öffentlich wegen einer Kleinigkeit sogar mit einer Abmahnung!

Ebenfalls öffentlich bezeichnete er den baden-württembergischen Wirtschaftsminister Gerhard Pfister als "in seinem Amt überfordert."

Das war dann der Zeitpunkt, als ein anderer Minister, Andreas Renner, in einer Presseerklärung feststellte: "Claassen ramponiert das Image der EnBW... Claassen ist der Rambo unter den deutschen Managern." Ein Rambo! Wow! Vielleicht sollte man hinzufügen: ein Rambo in Nadelstreifen.

Mittlerweile wurde auch bekannt, dass der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Schürle, (im Hauptberuf Landrat des Alb-Donau-Kreises) bei den Gehaltsverhandlungen von Claassen offensichtlich voll über den Tisch gezogen wurde. Fürstliche 4,2 Millionen Euro pro Jahr durfte dieser bei EnBW einsacken; bei seiner früheren Kleinfirma für Laborwaagen werden es allenfalls wenige hunderttausend gewesen sein.

Nein, Dr. Schürle, nicht nur Landrat sondern auch Schöngeist (als Herausgeber des "Schwabenspiegels) war seinem Angestellten offensichtlich nicht gewachsen - zu Lasten von uns Aktionären und der Stromkunden. Gerhard Goll, Claassens Vorgänger, machte den Job übrigens noch für schlappe 1 Million Euro per anno.

Im Jahr 2007 ging die Ära Claassen vorzeitig zu Ende. Der Ausichtsrat liess seinen Vorstandsvorsitzenden eine Zeitlang bei der anstehenden Vertragsverlängerung zappeln, Claassen wurde nervös und zog die Reissleine. Er verzichtete in einer öffentlichen Erklärung auf Vertragsverlängerung und ging sogar vorzeitig. Er hatte also de facto selbst gekündigt.

Meine Damen und Herren, versetzen Sie sich mal selbst in eine ähnliche Situation:
Sie üben einen befristeten Arbeitsvertrag aus, verzichten auf Verlängerung und gehen sogar vorzeitig. Würde Ihnen Ihr Chef noch jahrelang "Übergangsgeld" genehmigen? Nein, zum Teufel, er würde Ihnen allenfalls in den Hintern treten.

Nicht so bei den Nadelstreifenträgern der EnBW. Dr. Claus Dieter Hoffmann, der Schürle im Aufsichtsrat nachfolgte, zeigte sich gewissermassen als Gentleman. Er gewährte Claassen sogar noch ein Übergangsgeld.

Nein, nicht drei Monate lang für den Umzug, sondern über volle 19 Jahre, von dessen 44. Lebensjahr bis zum 63., also bis zum Eintritt in die Rente. (Über die Rentenhöhe danach ist noch nichts bekannt; sie wird vermutlich ähnlich üppig sein.)

Das Übergangsgeld beträgt opulente 398.000 Euro. Fürs blanke Nichtstun! Zum Vergleich: unsere Bundeskanzlerin, Frau Merkel, erhält pro anno lediglich 270.000 Euro und dafür hat sie einen knochenharten Job zu leisten.

So schlimm das klingen mag, diese Geldzumessung war nicht die einzige Fehlleistung unseres derzeitigen Aufsichtsratsvorsitzenden. Er hat darüberhinaus den Abfindungsvertrag so schwammig formuliert, dass Claassen behaupten konnte, er müsse sich zwischenzeitliche Einkünfte nicht anrechnen lassen, sofern er nur auf "Honorarbasis" arbeite.

Das tut er derzeit bei der Heuschrecke, pardon, bei der Finanzbeteiligungsfirma "Cerberus" in den USA. Die EnBW ist anderer Meinung weswegen man sich demnächst beim Landgericht Karlsruhe treffen wird. Claassen wird wieder mit seinem kampferprobten Anwaltstrio aufkreuzen, das ihn schon bei der Fussballticket-Affäre herausgepaukt hat.

Herr Dr. Hoffmann wird vom "Manager-Magazin" als Mann mit einem strengen Freizeitkonzept zitiert: nach 6 Wochen Arbeit mache er jeweils 2 Wochen Urlaub. Das sei ihm gegönnt, aber
bei den Abgangsverhandlungen mit Claassen muss sich unser AR-Vorsitzender wohl in der Ruhephase befunden haben.

Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Nachschrift:

Um 9 Uhr abends stand die Entlastung des Aufsichtsrats an. Mit Aplomb warf ich mein Aktien-Unikat als "Nein"-Stimme in die Urne. Tausende folgten mir, volle 8.729 Neinstimmen kamen gegen Hoffmann & Co. zustande. Das ist die gute Nachricht.

Die schlechte Nachricht ist, dass 236.287.649 "Ja"-Stimmen dagegen standen. Die Grossaktionäre hatten sich mit 99,99 Prozent knapp durchgesetzt.

Wäre ich Japaner, ich müsste jetzt Harakiri begehen. Glücklicherweise bin ich aber Deutsch-Bayer.

Samstag, 18. April 2009

Ein bißchen Protektion?

Die Wirtschaftskrise hat einige (bislang) eherne Gesetze ad absurdum geführt. So zum Beispiel die Forderung, wonach die Politik sich aus der Wirtschaft heraus halten solle, weil der Markt allein alles bestens richte. Jetzt erkennen wir: das tut er mitnichten. Ohne die Interventionen der Staatengemeinschaft wäre der weltweite Geld- und Güterkreislauf längst zum Erliegen gekommen. Mit katastrophalen Folgen für uns alle.

Ein anderes Prinzip, das während der vergangenen zwanzig Jahre gebetsmühlenartig wie ein Mantra verkündet wurde, ist die sogenannte Globalisierung. Insbesondere die Chefs der Grosskonzerne wurden nicht müde, den ungehinderten Freihandel als eine Grundvoraussetzung für unser aller Wohlstand zu postulieren. Gleichzeitig verdammten sie das Gegenstück, den Aufbau von nationalen Schutzzöllen - also die Protektion - als ein Abgleiten in die wirtschaftliche Hölle.

Eine ganze Zeitlang schien die Globalisierung gut zu laufen - insbesondere im Sinne von uns Verbrauchern. Die Fernseher, Videorekorder und Schlagbohrmaschinen wurden immer billiger. Sie waren eben von dienstbaren Geistern im fernen Asien zusammen geschraubt worden, die noch nicht unser Wohlstandsniveau beanspruchen durften. "Geiz ist geil" war derweil unser Motto; die ganze westliche Welt befand sich auf Schnäppchenjagd. Erdbeeren im Dezember und Spargel im Januar waren nichts Ungewöhnliches mehr. Sie wurden sogar von Aldi und Lidl geliefert. Von ferne her.

Inzwischen wird uns im Westen die Rechnung für diesen ungezügelten Freihandel präsentiert. Am schlimmsten trifft es die US-Amerikaner. Ihnen sind in den letzten Jahrzehnten zwei Drittel des produzierenden Gewerbes weggebrochen; der Rest - siehe General Motors - steht vor der Insolvenz. Die Supermarktkette Wal-Mart versorgt ihre Kunden zwar zu Tiefstpreisen, aber von 6.000 Lieferanten kommen 5.000 aus Asien. Inzwischen sind die USA finanziell den Chinesen ausgeliefert. Wenn China aufhören würde US-Staatsanleihen zu kaufen, dann wäre Amerika zahlungsunfähig. Auch die Franzosen und die Schweizer spüren den asiatischen Druck. Der Weltmarkt für Handtaschen, Uhren etc. ist überschwemmt mit täuschend ähnlichen Raubkopien aus Taiwan, China und Korea. Und wir Deutsche, leben wir auf einer Insel der Glückseligkeit? Keinesfalls, denn im Hamburger Hafen ist es seit langem Usus, dass grosse Containerschiffe gefüllt mit Produkten aus Asien entladen werden - um dann leer wieder zurück zu fahren. Aber sind wir nicht Exportweltmeister? Vergessen wir dies. Der Grossteil der wertschöpfenden Produktion findet längst in China oder Indien statt; in Deutschland sitzt meist nur noch die Konzernzentrale.

Der wirtschaftliche Kampf auf den Weltmärkten wird mit ungleichen Waffen geschlagen. Während in der deutschen Kostenkalkulation Positionen wie Jahresurlaub, Krankenschutz, Arbeitslosenversicherung, Umweltvorschriften etc. als Kostenbestandteile eingerechnet sind, wird die Waschmaschine in Indien zumeist ohne Sozialschutz der dortigen Arbeiterschaft, ja zuweilen sogar durch Kinderarbeit zusammen gebastelt. Entfallen dann auch noch die rigiden westlichen Umweltschutzvorkehrungen, ja dann muss dieses Gerät unschlagbar niedrige Kosten aufweisen. Verkauft wird es aber dort, wo man den höchsten Preis dafür erzielen kann, zum Beispiel in Deutschland.

Als Folge müssen die heimischen Hersteller ihre Sozialstandards immer weiter reduzieren, die Löhne einfrieren oder sogar kürzen und schliesslich ihre Werke eben doch nach Rumänien oder China verlagern. Die grossen Konzerne gerieren sich seit langem als "global player", etwa indem sie die Rohstoffe in Brasilien einkaufen, die Komponenten in China beschaffen und in Vietnam assemblieren lassen. Als "vaterlandslose Gesellen" können sie den Märkten hinter her ziehen; die Arbeiter werden an den nationalen Grenzen aufgehalten. In Deutschland will die Wirtschaft von der Politik "in Ruhe gelassen werden"; in China, Südkora und Singapur dirigiert der Staat die Wirtschaft ganz autokratisch und zuweilen sogar diktatorisch. Nein, in der Weltwirtschaft herrscht keine Parität. Sowohl der Wertekanon als auch die wirtschaftlichen Regeln sind in West und Ost vollkommen verschieden.

Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass in letzter Zeit immer häufiger die Idee einer amerikanisch-europäischen Freihandelszone propagiert wird. Nach Dirk Müller ("Mister DAX") soll sogar Bundeskanzlerin Merkel Sympathie für dieses Modell haben. Die Länder ausserhalb USA und Europa dürften nach diesem Modell weiterhin ihre Produkte an diese Freihandelszone verkaufen - aber mit Preisaufschlag! Ein Schutzzoll von 15 bis 20 Prozent würde die soziale Parität wieder herstellen. Die Waschmaschien wären dann zwar in Deutschland teurer, aber für einen Mittelständler wäre es wieder lohnenswert eine Fabrik in Bayern oder Hessen zu errichten, um damit Arbeitsplätze zu schaffen. Natürlich würden die Grosskonzerne bei Einführung der Protektion Gift und Galle spucken, denn nun können sie bei den Löhnen nicht mehr die Arbeiter in Bochum und Shanghai gegeneinander ausspielen.

Nicht unterschätzen sollte man aber die Schwierigkeiten bei der Bemessung und Abgrenzung der Schutzzölle. Ein bißchen Protektion hört sich leicht an, aber klingt es nicht verteufelt nach:

ein bißchen Schwangerschaft?

Sonntag, 12. April 2009

Vom Trash zum Crash

Ein Gespenst geht um in Europa - und darüber hinaus. Das Gespenst des "crash", des wirtschaftlichen Zusammenbruchs, hervorgrufen durch ein Übermass an "trash", nämlich wertlosen, finanziellen Schrotts. Karl Marx, längst eingesargt, feiert fröhliche Urständ; sein dicker Wälzer, "Das Kapital", wird wieder aufgelegt, wenn auch nicht von allen Käufern unbedingt gelesen.

Es sind die modernen Katastrophenpropheten, welche die Bestsellerlisten stürmen. Der Wormser Volkswirtschaftler Max Otte mit seinem Buch "Der Crash kommt" und der Frankfurter Börsenhändler Dirk Müller, der den "Crashkurs" postuliert. Diese Crash-Ideologen schaffen es - anders als Karl Marx - auf zweihundert Seiten die Weltkrise "allgemeinverständlich" darzustellen und zum Schluss dem geneigten Leser sogar noch praktische Rezepte mitzugeben, wie er aus dem wirtschaftlichen Schlamassel wieder herauskommt - und zwar reicher, als er hineingegangen ist.

Max Otte lehrt an der Fachhochschule der Nibelungenstadt und war lange Zeit Gast im "Börsenspiel" des TV-Senders 3sat. Er lässt in seinem Buch mehrfach durchblicken, dass ihn die Nobelriege der deutschen Wirtschaftswissenschaftler nicht zu den Ihrigen zählt, worunter er etwas zu leiden scheint. Nun, einkommensmässig hat er diese Herrschaften mit seinem bereits 2006 erschienen Bestseller sicherlich längst überholt.

Otte hat in seinem Buch die Risiken des amerikanischen "Traum vom Eigenheim" klar erkannt. Wer dort ein freistehendes Einfamilienhaus erwirbt (und sei es in einer noch so monotonen Vorortsiedlung) fühlt sich mit einem Schlag als "richtiger Bürger" der Vereinigten Staaten. Otte machte schon frühzeitig auf die Risiken der gebündelten Hypothekenkredite aufmerksam mit welchen die Banker die Zahlungsströme (Zinsen und Rückzahlungen) in eine Anleihe umwandelten. Und auf die Hedgefonds, die Speerspitze der globalen Spekulation, welche sich durch sog. Leerverkäufe nahezu beliebig verschulden können - ohne von der Finanzaufsicht überwacht zu werden. Dies führte zu dem Schuldenimperium, mit dem die USA derzeit konfrontiert sind.

Anders beurteilt er die Situation in Europa. Dort hat man seit Jahrzehnten ein niedriges Wirtschaftswachstum und eine hohe Arbeitslosigkeit. Die Europäische Union ist für ihn eine bürokratische Superstruktur, die früher oder später kollabieren muss. Der Gemeinschaftswährung, dem Euro, gibt er allenfalls noch ein paar Jahre bis er abgeschafft wird. Die kommende Krise in Europa ist für Otte prinzipiell deflatorischer Natur - anders als in den USA, wo die Regierung versuchen wird, sich ihrer Schulden durch gezielte Inflation zu entledigen.

Und wie soll sich der "kleine Mann" auf diese Krisen vorbereiten? Nach Otte darf er in der Deflation so wenig Schulden wie möglich machen. Stattdessen soll er in "sichere Währungen" investieren, wozu weder Dollar, noch Euro, noch Yen gehören. Sie fragen, was übrig bleibt? Nun, der Schweizer Franken, der Singapur-Dollar und die Norwegische Krone. Für die ganz grosse Krise empfiehlt Otte das Vermögen in vier gleiche Gruppen aufzuteilen: Bargeld, Gold, Immobilien und Aktien. Schliesslich hält er Forst- Acker- und Weideland für eine gute Krisenanlage. Der Preis für land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen wird seiner Meinung nach "durch die Decke gehen."

Für Dirk Müllers Buch "Crashkurs" benötigt man kein BWL-Studium, sondern - wie er selbst zugibt - lediglich gesunden Menschenverstand. Er ist gelernter Bankkaufmann, seit längerem Kursmakler an der Frankfurter Wertpapierbörse und bezeichnet sich gerne als "Mister DAX". Mikro- und Makroökonomie sind nicht seine Sache, er bevorzugt die direkte Ansprache. Das zentrale Kapitel seines Buchs trägt deshalb auch die Überschrift: "Die wirtschaftliche Kernschmelze - das Horrorszenario".

Müller sieht die USA und Europa auf einer deflatorischen Abwärtsbewegung, an deren Ende eine ähnliche Weltwirtschaftkrise lauert wie im Jahr 1929. Den Ablauf stellt er sich folgendermassen vor: die Immobilienpreise, insbes. in den USA, fallen ins Bodenlose (welch ein passender Ausdruck!), die Aktienwerte sinken auf Altpapierniveau und überall herrscht Massenarbeitslosigkeit. Händeringend wird nur eines nachgefragt: Bargeld. Dieses ist nur zu hohen Zinsen zu erhalten; sogar Gold wird im Preis deutlich zurückgehen. Am Tiefpunkt, wenn die Aktienkurse "ausgebombt" sind und die Immobilien wie Sauerbier verschleudert werden, sollte man sein verbliebenes Bargeld "schnell" investieren.

Dieses Zeitfenster öffnet sich, nach Müller, nur ganz kurz - denn anschliessend führt die US-Regierung eine Währungsreform durch. Da die Staatsschulden sowieso nicht mehr rückzahlbar sind, erklärt man kurzerhand die Zahlungsunfähigkeit. Eine neue Dollarwährung wird eingeführt, die in einem gewissen Verhältnis mit Gold und Silber unterlegt ist. Die Regierung stattet die verarmten Bürger mit einem Grundbetrag aus, ähnlich wie die 40 DM Startgeld bei der Bundesrepublik im Jahr 1948. Die alten Dollars werden in einem gewissen Verhältnis, zum Beispiel 1:100, umgetauscht. Die einfachen Bürger fangen praktisch wieder bei null an, aber aufgrund der schrecklichen Erlebnisse während der vergangenen zwei oder drei Jahre geben sie sich damit zufrieden.

Auch für Europa sieht Müller ein neues Währunggefüge kommen. Die enorm hohen Bankengarantien von 500 Milliarden Euro sind für ihn ein Indiz, dass die deutsche Regierung nur noch auf kurze Zeit "den Laden zusammenhalten kann." In seiner Homepage spricht er von einem "wirtschaftlichen Tsunami", der im Begriffe ist an Land zu gehen. Er empfiehlt Lebensmittel zu bunkern und auf alles gefasst zu sein.

Müllers Buch ist derzeit auf Platz 13 in der Bestseller-Liste des "SPIEGEL". Offensichtlich scheint sein Schreckensszenario viele Menschen anzusprechen. Da er, wie gesagt, seine Vorstellungen nicht volkswirtschaftlich unterlegt, ist es schwer, diese einer seriösen Kritik zu unterziehen. Vielleicht sollte man sich daran erinnern, was die Rheinländer - und insbesondere die Kölner - in derart schwierigen Situationen an hilfreichen Sprüchen so von sich geben:

"Et kütt wie et kütt"

"Et hätt noch immer jot jegange"

Mittwoch, 1. April 2009

Dollars galore

Es war die Zeit unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg als Hollywood einen Film produzierte, der die Menschen ins Kino strömen liess, wo sie für ein paar Stunden ihre Sorgen vergessen konnten. Dabei war das Drehbuch eher tragisch angelegt: ein Frachtschiff, beladen mit 50.000 Fässern, geriet in dem stürmischen Meer um Schottland in Seenot und zerschellte an einer Inselgruppe, die heute unter dem Namen "Äussere Hebriden" bekannt ist. Die Inselbewohner, gewohnt aus derartigen Havarien persönlichen Vorteil zu schlagen, machten sich sofort zur Unglücksstelle auf und bargen einige hundert Fässer auf Verdacht und ohne deren Inhalt zu kennen. Als sich herausstellte, das sie mit bestem Whisky gefüllt waren, kam bei den Insulanern unbändige Freude auf. Sie setzten sich spontan zu einer Saufparty zusammen und aus ihren rauen Kehlen ertönte der Ruf "Whisky galore". Für Nichtkenner der gälischen Sprache: "Whisky in rauen Mengen".

So ähnlich könnte es gewesen sein, als die US-amerikanischen Bankmanager in ihren mahagoniholzgetäfelten Wallstreetbüros zusammen sassen und davon hörten, dass ihnen Präsident Obama ihre derzeit wertlosen Schrottanleihen für sage und schreibe tausend Milliarden Dollars abkaufen wolle. Nur damit sie endlich wieder Kredite an ehrbare Kaufleute vergeben. Die Chefs von Goldman Sachs, Citibank und Bank of Amerika, deren Namen meist nur in Verbindung mit Bonuszahlungen bekannt sind, schlugen sich - diskret, selbstverständlich - auf die Schenkel, liessen aus den Tresoren fünfzig Jahre alten Whisky holen und stöhnten erleichtert: "Dollars galore". Dollars in rauen Mengen!

Die amerikanische Regierung flutet die Märkte derzeit mit frischem Geld, will damit die Wirtschaft wieder in Gang bringen, geht aber gleichzeitig ein hohes Risiko ein. Wird diese Liquidität nicht rechtzeitig wieder aus dem Geldkreislauf entfernt, dann kann durchaus die Gefahr einer Inflation, ja sogar einer Hyper-Inflation drohen. Ähnliche Experimente wurden in den vergangenen Jahrzehnten mit dem russischen Rubel und dem argentinischen Peso angestellt und jedes Mal haben sie zu einer beträchtlichen Aufweichung dieser Landeswährungen geführt. Diesmal ist es der Dollar, die Leitwährung der ganzen Welt, an der herumlaboriert wird.


China grummelt bereits vernehmlich gegen diese Sonderstellung des Dollars und fordert mittelfristig seine Ablösung als Weltleitwährung. Und Chinas Stimme hat Gewicht; immerhin ist dieses Land der grösste Gläubiger der USA. Würde China keine US-Staatsanleihen mehr kaufen, dann wäre Amerika in grösster Not. Auch die Tatsache, dass einige Rohstoffe wie Erdöl, Uran etc. noch traditionell in Dollars bezahlt werden - also diese Währung stützen, indem sie eine Nachfrage schaffen - würden die USA langfristig nicht aus der Patsche helfen.


In Deutschland gibt es noch keine Anzeichen für steigende Preise. Im Gegenteil, die Teuerungsrate kann im Sommer sogar negativ werden. Um einer Deflation vorzubeugen, könnte sich die Europäische Zentralbank dann genötigt sehen, ebenfalls die Geldschleusen zu öffnen. Diese Geldvermehrung wird zu einem Risiko für die Stabilität des Euro werden - ohne, dass man gleich die Gefahr einer "Währungsreform" beschwören muss.

Aber zurück zum Dollar. Er ist schon seit langem kein Fels in der Brandung mehr, sondern hat im Verlauf seiner über 200-jährigen Geschichte sukzessive an Wert verloren. Dies ist nur deshalb nicht so offenbar geworden, weil die Währungen um ihn herum - insbesondere die der (kriegführenden) Europäer - noch stärker aufgeweicht beziehungsweise ganz vernichtet wurden.

Wer weiss schon noch, dass bei der Gründung der Vereinigten Staaten vor über zweihundert Jahren der "United States Dollar" eine Münze mit einem Silbergehalt von 24 Gramm war? Im Zockerparadies Las Vegas kann man sie, mit einigem Glück, heute noch besichtigen. Im Zusammenspiel mit der Goldmark des deutschen Kaiserreichs und dem Goldpfund Grossbritanniens waren diese drei Hauptwährungen mehr als ein Jahrhundert lang stabil. Das änderte sich mit Beginn des 1. Weltkriegs. Die Golddeckung der Währungen in Deutschland und England wurde abgeschafft, denn ohne Einführung von Papiergeld hätte man diesen Krieg gar nicht führen können. Auch in den USA sah sich Präsident Theodore Roosevelt 1933 genötigt, den privaten Goldbesitz zu verbieten und sogar unter Strafe zu stellen. Private Banktresore wurden zwangsweise geöffnet und alles Gold darin konfisziert. (Deshalb liebe Goldbesitzer: vertrauen Sie Ihre Goldmünzen und -barren nicht einem Bankschliessfach an. Gleiches könnte auch hierzulande passieren. Vergraben Sie Ihr Gold lieber im Garten; es rostet ja nicht.)

Im 2. Weltkrieg liessen sich die Amerikaner all ihre Waffenlieferungen in Gold bezahlen und verfügten somit - zusammen mit dem vorher eingezogenen Privatgold - über erhebliche Goldreserven. Das ermöglichte ihnen für den Dollar einen Goldstandard einzuführen. Im sogenannten Abkommen von Bretton-Woods (benannt nach einem Dörfchen mit 600 Einwohnern!) legten sie fest, dass eine Unze Gold (ca. 28 Gramm) exakt 35 Dollar wert sei. Aber die folgenden Kriege gegen Nordkorea, und vorallem gegen Vietnam, liess auch den Golddollar wieder weich werden. Offen zutage trat dies, als die Franzosen 1969 ihre gesamten Dollarnoten bei der US-Notenbank einreichten und dafür Gold ausbezahlt haben wollten. Peinlicherweise konnten die Amerikaner nicht liefern, sie waren praktisch pleite. Präsident Nixon kündigte sein Versprechen, Gold für vorgelegte Dollarnoten auszuliefern, einfach auf.

Heute ist der Dollar lediglich ein Stück Papier, ohne jede Gold- oder Silberdeckung. Auf der US-Dollarnote steht (in feiner Ironie) nur noch der lapidare Satz:


"In God we trust".

Impressum

Angaben gemäß § 5 TMG:

Dr. Willy Marth
Im Eichbäumle 19
76139 Karlsruhe

Telefon: +49 (0) 721 683234

E-Mail: willy.marth -at- t-online.de