Unser derzeitiges wirtschaftliches Dilemma begann mit einer Immobilienkrise im fernen Amerika. Die ungezügelte Ausgabe sog. sub-prime-Hypotheken und die weltweite Streung dieser faulen Kredite als "Zertifikate", führte zu einer globalen Bankenkrise. Misstrauen breitete sich zwischen den Geschäftsbanken aus. Sie gaben die Geldgeschäfte untereinander weitgehend auf und verloren umgehend 60 bis 90 Prozent ihres Aktienwertes. Die Wallstreetbanken, das Symbol des amerikanisches Kapitalismus, mussten ganz schliessen; Lehman Brothers geriet sogar in die Insolvenz. Ein Vorgang, der vergleichbar ist mit dem Fall der Berliner Mauer.
In Deutschland und anderswo versucht man bei der Krise der Geschäftsbanken gegenzusteuern. Die Notenbanken fluten den Markt mit billigem Geld, indem sie die Leitzinsen auf nahe null Prozent setzen. Die Regierungen übernahmen milliardenschwere Bankbürgschaften. Es hilft bisher wenig, die Banken verharren immer noch in ihrer Schockstarre. Neuerdings diskutiert man sogar die Einrichtung einer "Bad Bank", welche den Geldhäusern ihre gefährlichen Schrottanleihen abnehmen soll, sodass wieder Vertrauen einkehrt. Sarkastisch gesprochen wäre diese Entsorgungsbank eine Art staatlich finanzierte Giftmülldeponie.
Die mangelhafte Versorgung mit Krediten hat nun auch die Realwirtschaft in Bedrängnis gebracht. Die Konjunktur zeigt nach unten, statt Wachstum wird sich bald Rezession einstellen, die Arbeitslosenzahlen werden steigen. Die Politiker sind äusserst beunruhigt und legen milliardenschwere Konjunkturprogramme auf. In Deutschland sind es über 60 Milliarden Euro. Der "Spiegel" stellt in seiner morgigen Ausgabe besorgt-frivol die Frage: "Wann ist der Staat eigentlich pleite?" Es ist so ziemlich der letzte Schuss in der Büchse der Volkswirtschaftler; viel mehr an staatlicher Intervention gibt es nicht mehr. Allenfalls könnte man noch an die komplette Verstaatlichung aller Banken denken. Wirtschaftsminister Michael Glos, bekannt für seinen Optimismus und sein sprühendes Temperament, verspricht in seinem Jahreswirtschaftsbericht konjunkturelle Besserung ab Mitte 2009. Gerade noch rechtzeitig zur Bundestagswahl. Wunderbar.
Indes: das Beispiel Japan lässt daran zweifeln. Dort schleppte sich eine ähnliche Wirtschaftskrise über volle eineinhalb Jahrzehnte hin. Auch in Japan begann die Krise mit einer Überhitzung auf dem Immobilienmarkt. Mitte der achziger Jahre fingen die Hauspreise an ins Unermessliche zu steigen. Selbst Besitzer bescheidener Apartments in Tokyo ( wie mein Freund Akira Watanabe) konnten sich plötzlich als (Dollar-)Millionäre fühlen. Clevere Immobilienmakler errechneten sogar, dass das Gelände, auf dem der Kaiserliche Palast in der Hauptstadt steht, mehr wert sei als ganz Südkalifornien. Wow! Das ganze Land geriet in einen Kaufrausch. Der Nikkei-Aktienindex stieg bis 1989 raketenartig auf fast 40.000 Punkte. Acht der zehn grössten Banken weltweit befanden sich in japanischer Hand. In den USA wuchs die Angst vor der Wirtschaftsmacht dieser Asiaten.
Aber 1990 kam es zum Börsencrash. Innerhalb weniger Jahre verloren die japanischen Aktien 80 Prozent ihres Wertes. Die Blase war angestochen. Gleichzeitig stieg die Arbeitslosigkeit und die Armut drastisch an, was in einem Land wie Japan besonders schlimm ist, denn dort gibt es - ausser der betrieblichen - kaum eine staatliche Altersversorgung. Bei meinen gelegentlichen Besuchen konnte ich vor dem Tokyoter Hauptbahnhof lange Reihen von Kleinzelten oder sogar Schachteln sehen, in denen arme Menschen campierten, die arbeitslos und damit praktisch ohne Einkommen waren.
Auch dort versuchte die Notenbank gegen zu lenken. Die Bank of Japan senkte den Diskontsatz von 6 auf 0,75 Prozent. Unter Berücksichtigung der Inflation lag er also bei praktisch null Prozent. Und da ist er jahrelang geblieben, leider ohne sichtbaren Effekt. Die Regierung schritt ein und stützte mit Geldzuwendungen den Bankensektor und einige Wirtschaftsunternehmen, die sie für "wichtig" erachtete. Es entstanden aber zumeist nur finanzielle "Zombies" - Untote, welche diese staatlichen Kredite nie und nimmer aus eigenen Erträgen zurückzahlen konnten und vom Staat in einem scheintoten Zustand zwischen Überleben und Insolvenz gehalten wurden.
Daraufhin wurden staatliche Finanzierungsprogramme aufgelegt. Die Regierung öffnete die Trickkiste der keynesianischen Konjunkturtheorie. "Deficit-spending" war angesagt. Ein schuldenfinanziertes Investitionsprogramm jagte das nächste. Japan wurde praktisch einzementiert. Von 113 grösseren Flüssen wurden 110 umgeleitet oder gestaut. Ganze Berge wurden zur Landgewinnung abgetragen, viele sinnlose Strassen gelegt. Am Ende stand ein gewaltiges Staatsdefizit. Bereits im Jahr 2002 war Japan mit 7,9 Prozent verschuldet. Das entspricht dem 2,6-fachen dessen, was die Maastrichtkriterien in Europa zulassen. Verglichen mit Deutschland ist Japan fast insolvent.
Nach eineinhalb Jahrzehnten, so um 2005, hatte sich die japanische Wirtschaft wieder einigermassen erholt. Niemand vermag schlüssig zu sagen, warum dies geschah. Vielleicht hatte sich der "Wirtschaftskörper", wie nach einer langen Krankheit, schliesslich von selbst ausgeheilt. Und nun - armes Japan! - ist dieses Land durch die neuerliche globale Wirtschaftskrise wieder in die Rezession gerutscht. Und die Exportnation Japan ist nun nicht mehr von einer Vielzahl boomender Importländer umgeben, sondern diese stecken jetzt allesamt in einer weltweiten ökonomischen Krise.
Gelegentlich tausche ich mich mit ehemaligen Berufskollegen in Japan per Email aus. Ich fragte, zum Beispiel, wie man als Rentner in solchen Krisenzeiten mit dem eigenen Geld umgehen soll. Dazu erhielt ich kürzlich einen knackigen Ratschlag: " Willy, auf keinen Fall Bankaktien kaufen, auch wenn deren Kurs noch so verlockend ist. Stattdessen die bescheidene Rente mit 5 Prozent Verzinsung bei einer (einlagengesicherten) Sparkasse als Festgeld bunkern."
Denn: "cash is king"
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