Der Störfall am Teilchenbeschleuniger CERN ist nun doch schwerwiegender, als anfangs vermutet. Die Reparaturarbeiten am Large Hadron Collider (LHC) werden länger dauern und deutlich mehr kosten. Die Anlage wird den Experimentatoren erst wesentlich später zur Verfügung stehen als ursprünglich geplant.
Bei dem Unfall am 19. September letzten Jahres war die Zerstörungskraft des schnell verdampfenden Heliums so gross, dass tonnenschwere Magnete gegeneinander versetzt und die Verbindungen schwer beschädigt wurden. Derzeit demontiert man 53 dieser Magnete und bringt sie ans Tageslicht empor. 30 Dipolmagnete und 9 Quadrupolmagnete sind so stark beschädigt, dass sie ersetzt werden müssen; den Rest hofft man reparieren zu können. Diese Arbeiten werden sich bis in den Frühsommer hineinziehen; danach will man mit der Heliumabkühlphase beginnen, für die 6 Wochen angesetzt sind. Das fehlerhafte Bauteil, welches zu der ganzen Panne führte, ist leider beim Unfall verdampft. Die Evidenz ist damit vernichtet.
Unumgänglich ist die sicherheitstechnische Nachrüstung des LHC. Ein spezielles Sensorsystem soll nun die elektrischen Widerstände zwischen den Magneten überwachen. Dafür sind allein 2.000 zusätzliche Schaltschränke und 160 Kilometer Kabel erforderlich. Des weiteren soll die Zahl der Sicherheitsventile erhöht werden, um bei ähnlichen Störfällen den Druck des verdampfenden Heliums schneller abbauen zu können. Am Ende dieser Massnahmen wird der gesamte Querschnitt der Ventile um den Faktor 40 höher sein als bislang.
Diese Massnahmen kosten viel Zeit und Geld. Niemand spricht mehr von der Wiederinbetriebnahme im Frühjahr diesen Jahres; stattdessen wird der Betrieb bei voller Energie frühestens im Jahr 2010 aufgenommen werden können. Auch die Mehrkosten wird man nicht aus den Einsparungen künftiger Budgetjahre - also quasi zum "Nulltarif" - schultern können. Sie werden derzeit (vorsichtig) auf mindestens 26 Millionen Euro abgeschätzt. Im übrigen ist CERN schon jetzt nicht unwesentlich "verschuldet". Für Mehraufwendungen unter dem früheren Generaldirektorat hat man Kredite aufgenommen, welche in den Jahren 2010 und 2011 aus dem Normalbudget zurückgezahlt werden sollten. Davon ist jetzt keine Rede mehr. Auch die F&E-Arbeiten für LHC-Upgrade, um die Luminosität des Beschleunigers zu erhöhen, hängen finanziell in der Luft.
Zur Jahreswende erfolgte bei CERN ein Chefwechsel. Der Deutsche Rolf-Dieter Heuer löste seinen Vorgänger, den Franzosen Robert Aymar als Generaldirektor ab. Schon kurz darauf musste Heuer bei der Wissenschaftskommission des Schweizer Nationalrats (vergleichbar dem Deutschen Bundestag) Rede und Antwort stehen. Er überraschte mit der Nachricht, dass er den LHC von auswärtigen Experten überprüfen lassen wolle. Das ist sicherlich eine richtige Entscheidung und hätte bei einer Anlage, die drei Milliarden Euro kostet - vergleichbar mit einem grossen Kernkraftwerk - schon viel früher erfolgen müssen. Immerhin ist diese Maschine, schon wegen ihrer schieren Grösse, in der Lage sich selbst zu zerstören - sei es, dass der Protonenstrahl vom Kurs abkommt oder die Kühlung des superflüssigen Heliums versagt. Bei voller Energie besitzt der Strahl ungefähr soviel Energie wie ein Auto bei 1.600 Stundenkilometer. Die in den Ablenkmagneten gespeicherte Energie wäre ausreichend, um 50 Tonnen Kupfer zu schmelzen.
Im Grunde besteht das Unternehmen CERN aus zwei Teilen: aus dem eigentlichen Beschleuniger LHC samt Vorbeschleuniger und Quelle sowie aus vier riesigen Detektoren, von denen jeder so gross ist wie ein Mehrfamilienhaus. Diese Detektoren - mit den schönen Namen ALICE, ATLAS, CMS und LHCb - können erst wirklich getestet werden, wenn der Protonenstrahl störungsfrei seine Runden dreht. Auch organisatorisch sind diese beiden Teilprojekte weitgehend getrennt. Professor Heuer ist nur für den Kreisbeschleuniger samt Infrastruktur zuständig; die Detektoren werden gebaut und betrieben von der sog. "Kollaboration". Darunter versteht man die ca. 2.700 Personen, welche verschiedenen Hochschulen und Forschungszentren weltweit angehören und die man im weitesten Sinne als "Experimentatoren" bezeichnen könnte.
Zur Struktur der Kollaborationen äusserte sich Heuer so: "Der Sprecher hat keine direkte Weisungsbefugnis auf Professor X vom Institut Y; das funktioniert alles nur durch gegenseitiges Verständnis und durch die gleiche Motivation." Die CERN-Mitarbeiterin Frau Knorr-Cetina ergänzt: "Wie in einem Bienenstaat, so ist auch hier der Einzelne nichts; vollbringen können sie ihr grosses Werk nur im Kollektiv."
Ich bin da skeptisch. Schwarmintelligenz mag bei Fischen und Bienen funktionieren, im Anlagenbau ist diese Organisationsform noch nicht erprobt. Veröffentlicht wird trotzdem bereits im Kollektiv. Auf der Autorenliste der CERN-Publikationen stehen alle 2.700 Namen - fein säuberlich aufgelistet nach dem Alphabet. Sollte das Stockholmer Kommittee demnächst diesem Kollektiv (statt, wie bisher, Einzelpersonen) einen Nobelpreis verteilen, so könnte sich jeder Forscher an rund tausend Euro erfreuen.
Den insgesamt rund zehntausend "Cernianern" ist der Störfall gewaltig auf die Stimmung geschlagen. Im Besonderen gilt dies für die Nutzer, die Experimentatoren. Eine ganze Reihe von Doktoranden wollten ihre Dissertation mit Daten aus dem LHC- Betrieb abschliessen, die sie nun nicht mehr oder nur mit grosser Verzögerung bekommen können. Bei einer Veranstaltung der Physikprofessoren der Karlsruher Universität im städtischen Rathaus war dies deutlich zu vernehmen. Am Managementstil des verflossenen Generaldirektors Robert Aymar wurde ganz unverblümt Kritik geübt.
Es sind eine Reihe von Dingen, die man Aymar anlastet und die auch offen in Schweizer Zeitungen (wie dem "Sonntag") zu lesen sind. So habe er einen autoritären Führungsstil gepflegt und die Mitarbeiter nicht in seine Überlegungen und Entscheidungen eingebunden. An der Kommunikation habe es vorallem gefehlt; die Cernianer hätten sie betreffende Neuigkeiten häufig erst aus den Zeitungen erfahren. ( Das soll gelegentlich auch in deutschen Forschungszentren vorkommen.)
Im technischen Bereich wirft man Aymar vor, dass er die Qualitätskontrollen sträflich vernachlässigt und zudem die Mannschaft unter hohen Zeitdruck gestellt habe. Die Presse mutmasst, er habe sich mit der Einweihung des LHC noch während seiner Amtszeit ein "pompöses Denkmal" setzen wollen.
Nun so ist es eben im Leben, wenn der General keine Fortüne hat:
jeder schlägt auf ihn ein.
Einer, indes, tut das wohl nicht:
Sarkozy wird Aymar nicht zum Ritter der Ehrenlegion schlagen.
Donnerstag, 29. Januar 2009
Freitag, 23. Januar 2009
Das schlimme Beispiel Japan
Unser derzeitiges wirtschaftliches Dilemma begann mit einer Immobilienkrise im fernen Amerika. Die ungezügelte Ausgabe sog. sub-prime-Hypotheken und die weltweite Streung dieser faulen Kredite als "Zertifikate", führte zu einer globalen Bankenkrise. Misstrauen breitete sich zwischen den Geschäftsbanken aus. Sie gaben die Geldgeschäfte untereinander weitgehend auf und verloren umgehend 60 bis 90 Prozent ihres Aktienwertes. Die Wallstreetbanken, das Symbol des amerikanisches Kapitalismus, mussten ganz schliessen; Lehman Brothers geriet sogar in die Insolvenz. Ein Vorgang, der vergleichbar ist mit dem Fall der Berliner Mauer.
In Deutschland und anderswo versucht man bei der Krise der Geschäftsbanken gegenzusteuern. Die Notenbanken fluten den Markt mit billigem Geld, indem sie die Leitzinsen auf nahe null Prozent setzen. Die Regierungen übernahmen milliardenschwere Bankbürgschaften. Es hilft bisher wenig, die Banken verharren immer noch in ihrer Schockstarre. Neuerdings diskutiert man sogar die Einrichtung einer "Bad Bank", welche den Geldhäusern ihre gefährlichen Schrottanleihen abnehmen soll, sodass wieder Vertrauen einkehrt. Sarkastisch gesprochen wäre diese Entsorgungsbank eine Art staatlich finanzierte Giftmülldeponie.
Die mangelhafte Versorgung mit Krediten hat nun auch die Realwirtschaft in Bedrängnis gebracht. Die Konjunktur zeigt nach unten, statt Wachstum wird sich bald Rezession einstellen, die Arbeitslosenzahlen werden steigen. Die Politiker sind äusserst beunruhigt und legen milliardenschwere Konjunkturprogramme auf. In Deutschland sind es über 60 Milliarden Euro. Der "Spiegel" stellt in seiner morgigen Ausgabe besorgt-frivol die Frage: "Wann ist der Staat eigentlich pleite?" Es ist so ziemlich der letzte Schuss in der Büchse der Volkswirtschaftler; viel mehr an staatlicher Intervention gibt es nicht mehr. Allenfalls könnte man noch an die komplette Verstaatlichung aller Banken denken. Wirtschaftsminister Michael Glos, bekannt für seinen Optimismus und sein sprühendes Temperament, verspricht in seinem Jahreswirtschaftsbericht konjunkturelle Besserung ab Mitte 2009. Gerade noch rechtzeitig zur Bundestagswahl. Wunderbar.
Indes: das Beispiel Japan lässt daran zweifeln. Dort schleppte sich eine ähnliche Wirtschaftskrise über volle eineinhalb Jahrzehnte hin. Auch in Japan begann die Krise mit einer Überhitzung auf dem Immobilienmarkt. Mitte der achziger Jahre fingen die Hauspreise an ins Unermessliche zu steigen. Selbst Besitzer bescheidener Apartments in Tokyo ( wie mein Freund Akira Watanabe) konnten sich plötzlich als (Dollar-)Millionäre fühlen. Clevere Immobilienmakler errechneten sogar, dass das Gelände, auf dem der Kaiserliche Palast in der Hauptstadt steht, mehr wert sei als ganz Südkalifornien. Wow! Das ganze Land geriet in einen Kaufrausch. Der Nikkei-Aktienindex stieg bis 1989 raketenartig auf fast 40.000 Punkte. Acht der zehn grössten Banken weltweit befanden sich in japanischer Hand. In den USA wuchs die Angst vor der Wirtschaftsmacht dieser Asiaten.
Aber 1990 kam es zum Börsencrash. Innerhalb weniger Jahre verloren die japanischen Aktien 80 Prozent ihres Wertes. Die Blase war angestochen. Gleichzeitig stieg die Arbeitslosigkeit und die Armut drastisch an, was in einem Land wie Japan besonders schlimm ist, denn dort gibt es - ausser der betrieblichen - kaum eine staatliche Altersversorgung. Bei meinen gelegentlichen Besuchen konnte ich vor dem Tokyoter Hauptbahnhof lange Reihen von Kleinzelten oder sogar Schachteln sehen, in denen arme Menschen campierten, die arbeitslos und damit praktisch ohne Einkommen waren.
Auch dort versuchte die Notenbank gegen zu lenken. Die Bank of Japan senkte den Diskontsatz von 6 auf 0,75 Prozent. Unter Berücksichtigung der Inflation lag er also bei praktisch null Prozent. Und da ist er jahrelang geblieben, leider ohne sichtbaren Effekt. Die Regierung schritt ein und stützte mit Geldzuwendungen den Bankensektor und einige Wirtschaftsunternehmen, die sie für "wichtig" erachtete. Es entstanden aber zumeist nur finanzielle "Zombies" - Untote, welche diese staatlichen Kredite nie und nimmer aus eigenen Erträgen zurückzahlen konnten und vom Staat in einem scheintoten Zustand zwischen Überleben und Insolvenz gehalten wurden.
Daraufhin wurden staatliche Finanzierungsprogramme aufgelegt. Die Regierung öffnete die Trickkiste der keynesianischen Konjunkturtheorie. "Deficit-spending" war angesagt. Ein schuldenfinanziertes Investitionsprogramm jagte das nächste. Japan wurde praktisch einzementiert. Von 113 grösseren Flüssen wurden 110 umgeleitet oder gestaut. Ganze Berge wurden zur Landgewinnung abgetragen, viele sinnlose Strassen gelegt. Am Ende stand ein gewaltiges Staatsdefizit. Bereits im Jahr 2002 war Japan mit 7,9 Prozent verschuldet. Das entspricht dem 2,6-fachen dessen, was die Maastrichtkriterien in Europa zulassen. Verglichen mit Deutschland ist Japan fast insolvent.
Nach eineinhalb Jahrzehnten, so um 2005, hatte sich die japanische Wirtschaft wieder einigermassen erholt. Niemand vermag schlüssig zu sagen, warum dies geschah. Vielleicht hatte sich der "Wirtschaftskörper", wie nach einer langen Krankheit, schliesslich von selbst ausgeheilt. Und nun - armes Japan! - ist dieses Land durch die neuerliche globale Wirtschaftskrise wieder in die Rezession gerutscht. Und die Exportnation Japan ist nun nicht mehr von einer Vielzahl boomender Importländer umgeben, sondern diese stecken jetzt allesamt in einer weltweiten ökonomischen Krise.
Gelegentlich tausche ich mich mit ehemaligen Berufskollegen in Japan per Email aus. Ich fragte, zum Beispiel, wie man als Rentner in solchen Krisenzeiten mit dem eigenen Geld umgehen soll. Dazu erhielt ich kürzlich einen knackigen Ratschlag: " Willy, auf keinen Fall Bankaktien kaufen, auch wenn deren Kurs noch so verlockend ist. Stattdessen die bescheidene Rente mit 5 Prozent Verzinsung bei einer (einlagengesicherten) Sparkasse als Festgeld bunkern."
Denn: "cash is king"
In Deutschland und anderswo versucht man bei der Krise der Geschäftsbanken gegenzusteuern. Die Notenbanken fluten den Markt mit billigem Geld, indem sie die Leitzinsen auf nahe null Prozent setzen. Die Regierungen übernahmen milliardenschwere Bankbürgschaften. Es hilft bisher wenig, die Banken verharren immer noch in ihrer Schockstarre. Neuerdings diskutiert man sogar die Einrichtung einer "Bad Bank", welche den Geldhäusern ihre gefährlichen Schrottanleihen abnehmen soll, sodass wieder Vertrauen einkehrt. Sarkastisch gesprochen wäre diese Entsorgungsbank eine Art staatlich finanzierte Giftmülldeponie.
Die mangelhafte Versorgung mit Krediten hat nun auch die Realwirtschaft in Bedrängnis gebracht. Die Konjunktur zeigt nach unten, statt Wachstum wird sich bald Rezession einstellen, die Arbeitslosenzahlen werden steigen. Die Politiker sind äusserst beunruhigt und legen milliardenschwere Konjunkturprogramme auf. In Deutschland sind es über 60 Milliarden Euro. Der "Spiegel" stellt in seiner morgigen Ausgabe besorgt-frivol die Frage: "Wann ist der Staat eigentlich pleite?" Es ist so ziemlich der letzte Schuss in der Büchse der Volkswirtschaftler; viel mehr an staatlicher Intervention gibt es nicht mehr. Allenfalls könnte man noch an die komplette Verstaatlichung aller Banken denken. Wirtschaftsminister Michael Glos, bekannt für seinen Optimismus und sein sprühendes Temperament, verspricht in seinem Jahreswirtschaftsbericht konjunkturelle Besserung ab Mitte 2009. Gerade noch rechtzeitig zur Bundestagswahl. Wunderbar.
Indes: das Beispiel Japan lässt daran zweifeln. Dort schleppte sich eine ähnliche Wirtschaftskrise über volle eineinhalb Jahrzehnte hin. Auch in Japan begann die Krise mit einer Überhitzung auf dem Immobilienmarkt. Mitte der achziger Jahre fingen die Hauspreise an ins Unermessliche zu steigen. Selbst Besitzer bescheidener Apartments in Tokyo ( wie mein Freund Akira Watanabe) konnten sich plötzlich als (Dollar-)Millionäre fühlen. Clevere Immobilienmakler errechneten sogar, dass das Gelände, auf dem der Kaiserliche Palast in der Hauptstadt steht, mehr wert sei als ganz Südkalifornien. Wow! Das ganze Land geriet in einen Kaufrausch. Der Nikkei-Aktienindex stieg bis 1989 raketenartig auf fast 40.000 Punkte. Acht der zehn grössten Banken weltweit befanden sich in japanischer Hand. In den USA wuchs die Angst vor der Wirtschaftsmacht dieser Asiaten.
Aber 1990 kam es zum Börsencrash. Innerhalb weniger Jahre verloren die japanischen Aktien 80 Prozent ihres Wertes. Die Blase war angestochen. Gleichzeitig stieg die Arbeitslosigkeit und die Armut drastisch an, was in einem Land wie Japan besonders schlimm ist, denn dort gibt es - ausser der betrieblichen - kaum eine staatliche Altersversorgung. Bei meinen gelegentlichen Besuchen konnte ich vor dem Tokyoter Hauptbahnhof lange Reihen von Kleinzelten oder sogar Schachteln sehen, in denen arme Menschen campierten, die arbeitslos und damit praktisch ohne Einkommen waren.
Auch dort versuchte die Notenbank gegen zu lenken. Die Bank of Japan senkte den Diskontsatz von 6 auf 0,75 Prozent. Unter Berücksichtigung der Inflation lag er also bei praktisch null Prozent. Und da ist er jahrelang geblieben, leider ohne sichtbaren Effekt. Die Regierung schritt ein und stützte mit Geldzuwendungen den Bankensektor und einige Wirtschaftsunternehmen, die sie für "wichtig" erachtete. Es entstanden aber zumeist nur finanzielle "Zombies" - Untote, welche diese staatlichen Kredite nie und nimmer aus eigenen Erträgen zurückzahlen konnten und vom Staat in einem scheintoten Zustand zwischen Überleben und Insolvenz gehalten wurden.
Daraufhin wurden staatliche Finanzierungsprogramme aufgelegt. Die Regierung öffnete die Trickkiste der keynesianischen Konjunkturtheorie. "Deficit-spending" war angesagt. Ein schuldenfinanziertes Investitionsprogramm jagte das nächste. Japan wurde praktisch einzementiert. Von 113 grösseren Flüssen wurden 110 umgeleitet oder gestaut. Ganze Berge wurden zur Landgewinnung abgetragen, viele sinnlose Strassen gelegt. Am Ende stand ein gewaltiges Staatsdefizit. Bereits im Jahr 2002 war Japan mit 7,9 Prozent verschuldet. Das entspricht dem 2,6-fachen dessen, was die Maastrichtkriterien in Europa zulassen. Verglichen mit Deutschland ist Japan fast insolvent.
Nach eineinhalb Jahrzehnten, so um 2005, hatte sich die japanische Wirtschaft wieder einigermassen erholt. Niemand vermag schlüssig zu sagen, warum dies geschah. Vielleicht hatte sich der "Wirtschaftskörper", wie nach einer langen Krankheit, schliesslich von selbst ausgeheilt. Und nun - armes Japan! - ist dieses Land durch die neuerliche globale Wirtschaftskrise wieder in die Rezession gerutscht. Und die Exportnation Japan ist nun nicht mehr von einer Vielzahl boomender Importländer umgeben, sondern diese stecken jetzt allesamt in einer weltweiten ökonomischen Krise.
Gelegentlich tausche ich mich mit ehemaligen Berufskollegen in Japan per Email aus. Ich fragte, zum Beispiel, wie man als Rentner in solchen Krisenzeiten mit dem eigenen Geld umgehen soll. Dazu erhielt ich kürzlich einen knackigen Ratschlag: " Willy, auf keinen Fall Bankaktien kaufen, auch wenn deren Kurs noch so verlockend ist. Stattdessen die bescheidene Rente mit 5 Prozent Verzinsung bei einer (einlagengesicherten) Sparkasse als Festgeld bunkern."
Denn: "cash is king"
Sonntag, 18. Januar 2009
Prof. Maschuw reitet vom Hof
Wenn in früheren Zeiten für einen Chef des Forschungszentrums Karlsruhe der letzte Tag angebrochen war - weil sein Anstellungsvertrag auslief (oder aus einem sonstigen, diskret zu verschweigenden Grunde) - dann setzte er sich gewöhnlich mit einem leisen Seufzer (oder einem etwas lauterem Fluch) in seine Dienstlimousine und liess sich letztmalig von seinem Chauffeur nach Hause fahren. Nicht so Professor Reinhard Maschuw, seit acht Jahren Vorstand im FZK. Er sattelte nach der Verabschiedung sein Pferd und ritt, der Wache leutselig zuwinkend, auf dem Vierbeiner aus dem Zentrum. Ein unheimlich starker Abgang!
Hippologisch gesprochen war Maschuws Gaul ein Island-Pferd. Ein saudischer Physiker - sofern es den überhaupt gibt - wäre vermutlich mit einem arabischen Vollbluthengst aus dem Forschungszentrum galoppiert.
Die Redaktionsleiterin des neugestalteten Mitarbeitermagazin, Frau Regina Link, hat Maschuw anlässlich seiner endgültigen Emeritierung interviewt. Dabei bezeichnete der ex-Chef die acht Monate, in denen er mit seinem Vorstandskollegen Dr. Fritz die Geschäfte des Zentrums alleine führen musste, als eine Zeit der "Überbeanspruchung", die auf Kosten seines "Privatlebens" ging. Verständlich, denn in den vorhergehenden 30 Jahren waren zumeist fünf Vorstandsmitglieder zugange. Aber wieviele waren es, geht man noch weiter zurück?
Als früherer Mitarbeiter, der wohl vertraut ist mit der Geschichte des Forschungszentrums, erinnere ich mich, dass es während der fast zwei Jahrzehnte andauernden Gründerphase des (damaligen) Kernforschungszentrums stets nur 2 (in Worten: zwei!) Chefs gab: einen wissenschaftlichen und einen administrativev Geschäftsführer. Und das nicht nur über 8 Monate hinweg, sondern über volle 18 Jahre! Dr. Ritter (1956 - 60), Dr. Schnur (1960 - 70) und Prof. Haxel (1971 - 74) deckten nacheinander die technische Späre ab und Dr. Rudolf Greifeld war sogar während der gesamten Zeit von 1956 bis 74 Chef der Administration und - für alle erkennbar - "primus inter pares". Und externe Unterstützung (man denke nur an die 50- Mann-Kolonne der Helmholtz-Holding in Berlin) gab es damals natürlich auch noch nicht. Ebensowenig wie die hochgerühmten Synergieeffekte des KIT.
Trotzdem wurde in dieser Frühphase in kurzer Zeit enorm viel geleistet. Dabei stand man anfangs buchstäblich vor dem Nichts. Der Bauplatz für das Zentrum im Hardtwald musste erst gerodet und gegen erheblich Einwände einiger Nachbargemeinden durchgesetzt werden. Technische Mitarbeiter waren Mangelware und mussten in dem neuen Gebiet der Kerntechnik aufwendig geschult werden. Trotzdem: 16 wissenschaftliche Institute wurden bis 1965 aufgebaut und dafür kompetente Direktoren gewonnen; dazu kamen noch die drei Grossabteilungen Reaktorbetrieb, Strahlenschutz und Kernschule. Innerhalb von zehn Jahren konnten mehr als 3.000 , zumeist technische Mitarbeiter aquiriert werden. (Heute zieht sich die Besetzung einer einzigen vakanten Institutsleiterstelle manchmal fünf Jahre oder gar länger hin.)
Auf dieser technischen und personellen Basis gelang es bereits in wenigen Jahren drei verschiedenartige Kernreaktoren - deutscher Bauart - zu planen, zu bauen und in Betrieb zu nehmen (FR 2, STARK, SNEAK). Das Forschungsprojekt Schneller Brüter wurde gegründet und verlieh in kurzer Zeit dem Zentrum einen weltweiten Bekanntheitsgrad. Beeindruckend war auch die Bautätigkeit am Standort. Eine Fläche der Grösse von 200 (!) Fussballfeldern wurde erschlossen und zum Teil mit Instituten und technischen Anlagen überbaut. Dafür mussten fast 400 Genehmigungen beantragt und erlangt werden. All dies geschah unter der Führung und dem Management der oben genannten Geschäftsführerpaare. Dr. Greifeld wurden am Ende seiner 18-jährigen erfolgreichen Tätigkeit von Staatssekretär Haunschild mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Warum berichte ich so detailliert über diese weit zurück liegenden Vorgänge? Nun, vor zweieinhalb Jahren, anlässlich des gross gefeierten Jubiläums des Forschungszentrums, liess der damalige Geschäftsführer Popp die historische Festschrift "50 Jahre Forschungszentrum Karlsruhe" herausbringen. Sie umfasste über hundert Seiten, war reich bebildert und gedruckt auf Hochglanzpapier. Darin wird man die geschichtlichen Leistungen der oben genannten Geschäftsführer jedoch vergeblich suchen. Im Fliesstext ist Dr. Greifeld - den Haunschild bei der Ordensverleihung als "Gründungsvater des Zentrums" bezeichnete - noch nicht einmal erwähnt. Ein Versehen? Nein, eine Schande! (Sich selbst liess P. in dieser jämmerlichen Fibel mehrfach, in Grossformat und in Farbe ablichten - zumeist in Gegenwart von Ministern, Ministerinnen und Ministerpräsidenten. Wohl in Abwandlung des bekannten Sprichworts: "Der clevere Mann denkt an sich selbst zuerst.")
Man fühlt sich an das alte Ägypten erinnert. Dort haben manche Pharaonen auch die Namen und Taten ihrer Vorgänger aus den Obelisken kratzen lassen.
Hippologisch gesprochen war Maschuws Gaul ein Island-Pferd. Ein saudischer Physiker - sofern es den überhaupt gibt - wäre vermutlich mit einem arabischen Vollbluthengst aus dem Forschungszentrum galoppiert.
Die Redaktionsleiterin des neugestalteten Mitarbeitermagazin, Frau Regina Link, hat Maschuw anlässlich seiner endgültigen Emeritierung interviewt. Dabei bezeichnete der ex-Chef die acht Monate, in denen er mit seinem Vorstandskollegen Dr. Fritz die Geschäfte des Zentrums alleine führen musste, als eine Zeit der "Überbeanspruchung", die auf Kosten seines "Privatlebens" ging. Verständlich, denn in den vorhergehenden 30 Jahren waren zumeist fünf Vorstandsmitglieder zugange. Aber wieviele waren es, geht man noch weiter zurück?
Als früherer Mitarbeiter, der wohl vertraut ist mit der Geschichte des Forschungszentrums, erinnere ich mich, dass es während der fast zwei Jahrzehnte andauernden Gründerphase des (damaligen) Kernforschungszentrums stets nur 2 (in Worten: zwei!) Chefs gab: einen wissenschaftlichen und einen administrativev Geschäftsführer. Und das nicht nur über 8 Monate hinweg, sondern über volle 18 Jahre! Dr. Ritter (1956 - 60), Dr. Schnur (1960 - 70) und Prof. Haxel (1971 - 74) deckten nacheinander die technische Späre ab und Dr. Rudolf Greifeld war sogar während der gesamten Zeit von 1956 bis 74 Chef der Administration und - für alle erkennbar - "primus inter pares". Und externe Unterstützung (man denke nur an die 50- Mann-Kolonne der Helmholtz-Holding in Berlin) gab es damals natürlich auch noch nicht. Ebensowenig wie die hochgerühmten Synergieeffekte des KIT.
Trotzdem wurde in dieser Frühphase in kurzer Zeit enorm viel geleistet. Dabei stand man anfangs buchstäblich vor dem Nichts. Der Bauplatz für das Zentrum im Hardtwald musste erst gerodet und gegen erheblich Einwände einiger Nachbargemeinden durchgesetzt werden. Technische Mitarbeiter waren Mangelware und mussten in dem neuen Gebiet der Kerntechnik aufwendig geschult werden. Trotzdem: 16 wissenschaftliche Institute wurden bis 1965 aufgebaut und dafür kompetente Direktoren gewonnen; dazu kamen noch die drei Grossabteilungen Reaktorbetrieb, Strahlenschutz und Kernschule. Innerhalb von zehn Jahren konnten mehr als 3.000 , zumeist technische Mitarbeiter aquiriert werden. (Heute zieht sich die Besetzung einer einzigen vakanten Institutsleiterstelle manchmal fünf Jahre oder gar länger hin.)
Auf dieser technischen und personellen Basis gelang es bereits in wenigen Jahren drei verschiedenartige Kernreaktoren - deutscher Bauart - zu planen, zu bauen und in Betrieb zu nehmen (FR 2, STARK, SNEAK). Das Forschungsprojekt Schneller Brüter wurde gegründet und verlieh in kurzer Zeit dem Zentrum einen weltweiten Bekanntheitsgrad. Beeindruckend war auch die Bautätigkeit am Standort. Eine Fläche der Grösse von 200 (!) Fussballfeldern wurde erschlossen und zum Teil mit Instituten und technischen Anlagen überbaut. Dafür mussten fast 400 Genehmigungen beantragt und erlangt werden. All dies geschah unter der Führung und dem Management der oben genannten Geschäftsführerpaare. Dr. Greifeld wurden am Ende seiner 18-jährigen erfolgreichen Tätigkeit von Staatssekretär Haunschild mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
Warum berichte ich so detailliert über diese weit zurück liegenden Vorgänge? Nun, vor zweieinhalb Jahren, anlässlich des gross gefeierten Jubiläums des Forschungszentrums, liess der damalige Geschäftsführer Popp die historische Festschrift "50 Jahre Forschungszentrum Karlsruhe" herausbringen. Sie umfasste über hundert Seiten, war reich bebildert und gedruckt auf Hochglanzpapier. Darin wird man die geschichtlichen Leistungen der oben genannten Geschäftsführer jedoch vergeblich suchen. Im Fliesstext ist Dr. Greifeld - den Haunschild bei der Ordensverleihung als "Gründungsvater des Zentrums" bezeichnete - noch nicht einmal erwähnt. Ein Versehen? Nein, eine Schande! (Sich selbst liess P. in dieser jämmerlichen Fibel mehrfach, in Grossformat und in Farbe ablichten - zumeist in Gegenwart von Ministern, Ministerinnen und Ministerpräsidenten. Wohl in Abwandlung des bekannten Sprichworts: "Der clevere Mann denkt an sich selbst zuerst.")
Man fühlt sich an das alte Ägypten erinnert. Dort haben manche Pharaonen auch die Namen und Taten ihrer Vorgänger aus den Obelisken kratzen lassen.
Sonntag, 11. Januar 2009
"Die Rente ist sicher"
Norbert Blüm wird vermutlich zu Sylvester eine Flasche Schampus in "king-size" geöffnet haben - und das aus gutem Grund. Da wurde der kleinwüchsige, aber redegewaltige Politrentner - Sozialminister während der gesamten Kanzlerschaft von Helmut Kohl (1982 - 98) - jahrzehntelang von den Medien wegen seines auf Litfassäulen verewigten Spruchs: "Die Renten sind sicher" veräppelt, ja verhöhnt - und, siehe da, jetzt stellt es sich heraus, dass er damit doch recht hatte.
Ausgerechnet die seit Monaten (und wohl noch einige weitere Jahre) grassierende Finanzkrise hat ihm zu dieser Bestätigung verholfen. Weltweit kollabieren die Banken, von Goldman Sachs an der Wallstreet bis zur Kaupthing-Bank in Island; Anleger zittern um ihre Ersparnisse und wer steht fest wie ein Fels in der Brandung? Die deutsche staatlich-gesetzliche Rentenversicherung, basierend auf dem Umlagesystem. Mir ist kein Fall bekannt, dass ein Ruheständler in dieser unruhigen Zeit um seine Monatsrente hätte bangen müssen. Im Gegenteil: im vergangenen Jahr wurden die Bezüge um (bescheidene) 1,1 Prozent erhöht und in diesem Jahr sollen es sogar 2, 75 Prozent sein. Die gesetzliche Rente ist, im Gegensatz zu den meisten anderen Formen der Altersvorsorge an die Löhne gekoppelt und so vor einer Geldentwertung geschützt. Den Kurssturz an den Börsen, die Krise der Banken, die Verkaufswelle bei den Investmentfonds - all das hat die Rentenkasse so gut wie nicht berührt.
Dagegen erlebte die private Altersversorgung ihr Waterloo. Viele Geldanleger haben 2008 erfahren müssen wie schnell ihre Ersparnisse bei den Banken und Kapitalmärkten dahin schmolzen oder sogar ganz verloren gingen. In den USA sind 80.000 Pensionsfonds zusammen gebrochen. Spektakulär bei Enron Company, sonst meistens lautlos als stille Beerdigung. General Motors ist von seinem eigenen Pensionsfonds ins Schleudern gebracht worden und steht praktisch vor dem Bankrott.
Demgegenüber hat die deutsche Rentenversicherung zwei Weltkriege, Inflation und Währungsreform überlebt und sogar die Deutsche Einheit sozialpolitisch geschultert, was keiner Privatversicherung der Welt gelungen wäre. Das Umlagesystem, wonach das Geld im einen Monat hereinkommt und im nächsten Monat schon wieder ausbezahlt wird, hat sich als sehr robust erwiesen. Was die Arbeitgeber (anstelle der Beitragszahler) Monat für Monat abführen, wird umgehend an die Rentner ausbezahlt. Deshalb kostet die Verwaltung auch nur bescheidene 1.1 Prozent der Auszahlungssumme. Für Vermittler, Berater oder Verkäufer der Finanzbranche gibt es keine Möglichkeit, Geld abzuzwacken.
Anders ist das bei der privaten Riester-Rente, wo die Verwaltungskosten mehr als 10-fach höher sind als bei der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Bund steuert zwar 13 Milliarden Euro bei, aber diese kommen in erster Linie "Allianz & Co" zugute. Die Kosten der Vertragsabschlüsse fressen diesen Bundeszuschuss auf. Und die Rendite der Riesterrente liegt trotzdem noch unter 4 Prozent, also kein Grund zum Jubeln für die Anleger. Kein Wunder, dass eine Million abgeschlossener Riesterverträge bereits wieder gekündigt worden sind. Eine Festgeldanlage bei Sparkasse oder Direktbank bringt fast die gleiche Rendite, vermeidet aber die monströse und intransparente Riesterbürokratie.
Jahrzehntelang forderten (insbes. wirtschaftsliberale) Politiker das bewährte deutsche Umlagesystem auf Kapitaldeckung umzustellen. Das grenzt an Wahnsinn, wenn man bedenkt, welches Finanzchaos unsere Bankmanager inzwischen angerichtet haben - bei gleichzeitiger massloser Selbstbereicherung. Nein, die allgemeine Altersvorsorge sollte nicht dem Auf und Ab der Zinsen und der Aktienpreise unterworfen werden. Im übrigen bleibt es jedem unbenommen, persönlich und auf eigenes Risiko auf dem Kapitalmarkt zusätzliches Geld anzulegen - falls er sich das zutraut und er dazu in der Lage ist.
Aber nun genug des Lobes für die gesetzliche Rentenversicherung. Sicherlich, sie bewahrt uns vor dem finanziellen Totalverlust, aber sie löst leider auch nicht das Problem des Nettorentenniveaus, das im Idealfall deutlich über dem Sozialfallniveau liegen sollte. Der berühmte "Eckrentner" müsste dafür dauerhaft beschäftigt und 45 Jahre lang Sozialversicherungsbeiträge entrichtet haben. Wieviele werden das in Zukunft noch schaffen? Deshalb ist Blüms berühmter Ausspruch mit einem Appendix zu versehen:
"Die Rente ist sicher - aber, leider, zu niedrig."
Ausgerechnet die seit Monaten (und wohl noch einige weitere Jahre) grassierende Finanzkrise hat ihm zu dieser Bestätigung verholfen. Weltweit kollabieren die Banken, von Goldman Sachs an der Wallstreet bis zur Kaupthing-Bank in Island; Anleger zittern um ihre Ersparnisse und wer steht fest wie ein Fels in der Brandung? Die deutsche staatlich-gesetzliche Rentenversicherung, basierend auf dem Umlagesystem. Mir ist kein Fall bekannt, dass ein Ruheständler in dieser unruhigen Zeit um seine Monatsrente hätte bangen müssen. Im Gegenteil: im vergangenen Jahr wurden die Bezüge um (bescheidene) 1,1 Prozent erhöht und in diesem Jahr sollen es sogar 2, 75 Prozent sein. Die gesetzliche Rente ist, im Gegensatz zu den meisten anderen Formen der Altersvorsorge an die Löhne gekoppelt und so vor einer Geldentwertung geschützt. Den Kurssturz an den Börsen, die Krise der Banken, die Verkaufswelle bei den Investmentfonds - all das hat die Rentenkasse so gut wie nicht berührt.
Dagegen erlebte die private Altersversorgung ihr Waterloo. Viele Geldanleger haben 2008 erfahren müssen wie schnell ihre Ersparnisse bei den Banken und Kapitalmärkten dahin schmolzen oder sogar ganz verloren gingen. In den USA sind 80.000 Pensionsfonds zusammen gebrochen. Spektakulär bei Enron Company, sonst meistens lautlos als stille Beerdigung. General Motors ist von seinem eigenen Pensionsfonds ins Schleudern gebracht worden und steht praktisch vor dem Bankrott.
Demgegenüber hat die deutsche Rentenversicherung zwei Weltkriege, Inflation und Währungsreform überlebt und sogar die Deutsche Einheit sozialpolitisch geschultert, was keiner Privatversicherung der Welt gelungen wäre. Das Umlagesystem, wonach das Geld im einen Monat hereinkommt und im nächsten Monat schon wieder ausbezahlt wird, hat sich als sehr robust erwiesen. Was die Arbeitgeber (anstelle der Beitragszahler) Monat für Monat abführen, wird umgehend an die Rentner ausbezahlt. Deshalb kostet die Verwaltung auch nur bescheidene 1.1 Prozent der Auszahlungssumme. Für Vermittler, Berater oder Verkäufer der Finanzbranche gibt es keine Möglichkeit, Geld abzuzwacken.
Anders ist das bei der privaten Riester-Rente, wo die Verwaltungskosten mehr als 10-fach höher sind als bei der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Bund steuert zwar 13 Milliarden Euro bei, aber diese kommen in erster Linie "Allianz & Co" zugute. Die Kosten der Vertragsabschlüsse fressen diesen Bundeszuschuss auf. Und die Rendite der Riesterrente liegt trotzdem noch unter 4 Prozent, also kein Grund zum Jubeln für die Anleger. Kein Wunder, dass eine Million abgeschlossener Riesterverträge bereits wieder gekündigt worden sind. Eine Festgeldanlage bei Sparkasse oder Direktbank bringt fast die gleiche Rendite, vermeidet aber die monströse und intransparente Riesterbürokratie.
Jahrzehntelang forderten (insbes. wirtschaftsliberale) Politiker das bewährte deutsche Umlagesystem auf Kapitaldeckung umzustellen. Das grenzt an Wahnsinn, wenn man bedenkt, welches Finanzchaos unsere Bankmanager inzwischen angerichtet haben - bei gleichzeitiger massloser Selbstbereicherung. Nein, die allgemeine Altersvorsorge sollte nicht dem Auf und Ab der Zinsen und der Aktienpreise unterworfen werden. Im übrigen bleibt es jedem unbenommen, persönlich und auf eigenes Risiko auf dem Kapitalmarkt zusätzliches Geld anzulegen - falls er sich das zutraut und er dazu in der Lage ist.
Aber nun genug des Lobes für die gesetzliche Rentenversicherung. Sicherlich, sie bewahrt uns vor dem finanziellen Totalverlust, aber sie löst leider auch nicht das Problem des Nettorentenniveaus, das im Idealfall deutlich über dem Sozialfallniveau liegen sollte. Der berühmte "Eckrentner" müsste dafür dauerhaft beschäftigt und 45 Jahre lang Sozialversicherungsbeiträge entrichtet haben. Wieviele werden das in Zukunft noch schaffen? Deshalb ist Blüms berühmter Ausspruch mit einem Appendix zu versehen:
"Die Rente ist sicher - aber, leider, zu niedrig."
Sonntag, 4. Januar 2009
Denkmalspflege oder Fassadenimitation?
Der Denkmalschutz, eine eher untergeordnete staatliche Behörde, treibt zuweilen seltsame - und kostspielige - Blüten. In meiner engeren Heimat, im Fichtelgebirge, ist derzeit in der 4000-Seelen-Gemeinde Kirchenlamitz ein imposantes Gebäude aus filigranen Bauelementen zu bestaunen. Es ist ein weithin sichtbarer Gerüstbau, dessen riesige Dach-und Seitenflächen allseits mit Planen verhüllt sind und der in seinem Inneren ein vergleichsweise kleines Gebäude umhaust. Dieses soll totalsaniert werden. Auf Anordnung der Denkmalschutzbehörde und weitgehend auf Kosten des Freistaates, also auf Kosten von uns Steuerzahlern!
Das zu renovierende Gebäude ist ein kleines Jagdschloss, das vor etwa 400 Jahren von einen heute weitgehend unbekannten Markgrafen erbaut worden ist. Zwei Jahrhunderte danach brannte es nahezu völlig ab und in der Folge wurde es öfters zweckentfremdet, z.B. als Forsthaus und als Amtsgericht. Seit fast 30 Jahren ist es im Besitz eines Arztes, der darin wohnt und dort eine Arztpraxis betreibt.
Diese Zerstörungen und Umwidmungen haben natürlich ihre Spuren hinterlassen. Kaum jemand würde in diesem herunter gekommenen Gebäude ein "Schloss" erkennen. Bedenkt man, dass in den östlichen Ländern wirkliche Schlösser zu tausenden für einen einzigen Euro zu kaufen sind - allerdings mit der Verpflichtung zur Selbstrenovierung - dann fragt man sich, wie die Denkmalschutzbehörde auf den Gedanken kommen konnte, in eine solche "Ruine" überhaupt noch einen Cent hinein zu stecken.
Das ausgedehnte Walmdach ist seit Jahren wasserdurchlässig, das Gebälk allseits marode und deshalb soll es einer komplett neuen Abdeckung weichen. Besonders gravierend ist, dass sich im ganzen Gebäude der sog. Hausschwamm eingenistet hat. Um dieses gefährlichen Schädlings Herr zu werden, müssen Böden, Wände und Fenster totalsaniert werden. Ob nach dieser Prozedur überhaupt noch originale Bausubstanz übrig bleibt, ist sehr fraglich.
Da fühle ich mich doch an ein anderes Schloss erinnert, dessen Totalrekonstruktion derzeit im Rahmen eines Architektenwettbewerbs beschlossen wurde: das Berliner Stadtschloss. Dieses Preussenschloss, von dem aus Kurfürsten, Könige und Kaiser regierten, mit einem Jagdschlösschen zu vergleichen, scheint hoch gegriffen; trotzdem gibt es einige bemerkenswerte Parallelen.
Von beiden Schlössern existieren keine Baupläne mehr; allenfalls einige Zeichnungen und Photos sind geblieben, die den beabsichtigten Wiederaufbau bzw. seine umfassende Renovierung unterstützen sollen. Noch schlimmer aber ist der Verlust der historischen Bausubstanz; im Falle des Berliner Schlosses durch den politisch gewollten Totalabriss, beim Kirchenlamitzer Schlösschen durch die verantwortungslose Verlotterung über Jahrzehnte hinweg. Dabei ist es gerade die originale Bausubstanz, welche einem Bauwerk seine Authentizität verleiht. Der Architekturhistoriker Wolfgang Pehnt vergleicht sie "mit dem Sauerteig, der das Brot durchdringt".
In Berlin hat man sich bekanntlich dafür entschieden, drei der vier Fassaden original zu rekonstruieren. Der bislang fast unbekannte italienische Architekt Franco Stella hat sich eng an die Vorgaben der Politiker gehalten und so den Wettbewerb gewonnen. Die Bundestagsabgeordneten wollten in ihren Beschluss aus dem Jahr 2002 das "Original". Was sie jetzt bekommen - sofern Stellas Entwurf wirklich realisiert wird - ist jedoch allenfalls ein "Remake". Und mit einer Fassadenästhetik, wie man sie heute auch bei Shopping Malls sehen kann.
Am bedenklichsten ist jedoch der Umstand, dass bei beiden rekonstruierten Schlössern Fassaden und Inhalte konträr auseinander laufen. Im Fichtelgebirge umhaust die Schlossfassade, wie oben gesagt, die Wohn- und Praxisräume eines niedergelassenen Arztes. Im Berliner Schloss will man später ein Museum einrichten. Aussereuropäische Kunstobjekte, zumeist aus Afrika stammend, sollen den riesigen Innenraum füllen. Aus der Fassade würde niemand auf diesen Nutzungszweck schliessen; sie verkommt dadurch zur blossen Attrappe. Und peinlich ist die Museumsidee ohnehin. Denn diese ethnologischen Kunstgegenstände wurden doch zumeist in unserer (glücklicherweise kurzen) Kolonialzeit aus Afrika und Asien "beschafft", als die damaligen Schlossbewohner als gekrönte Häupter noch in Amt und Würden waren.
Nein, gelingen werden diese Rekonstruktionen weder beim grossen noch beim kleinen Schloss. Aber gibt es in unserem ehedem so zerbombten Vaterland überhaupt noch Beispiele für einen gelungenen Wiederaufbau? Ja, durchaus. Zum Beispiel das Buddenbrookhaus in Lübeck und auch der Kranz der Kölner Stiftskirchen gehört dazu. Und vorallem die Dresdner Frauenkirche. Ihre frühere Funktion ist auch die jetzige; die Ausstrahlung auf die Menschen ist geblieben.
Kann man an dieser Situation noch etwas ändern? Beim Fichtelgebirgsschloss sicherlich nicht. Es wird noch in diesem Jahr fertig renoviert sein und dann mit erbaulichen Reden der Lokalpolitiker (unter feierlicher Mitwirkung der Feuerwehrkapelle) eingeweiht werden. Aber beim Berliner Stadtschloss ist der Gang der Dinge noch zu verändern. Aus den Erkenntnissen des abgelaufenen Architektenwettbewerbs könnte der Bundestag die richtigen Schlüsse ziehen und einen zweiten Wettbewerb zulassen, bei dem die Planer nicht mehr so sklavisch an das preussische Original gebunden sind.
Marquis Posa hätte unseren Abgeordneten zugerufen:
"Geben Sie Gedankenfreiheit!".
Das zu renovierende Gebäude ist ein kleines Jagdschloss, das vor etwa 400 Jahren von einen heute weitgehend unbekannten Markgrafen erbaut worden ist. Zwei Jahrhunderte danach brannte es nahezu völlig ab und in der Folge wurde es öfters zweckentfremdet, z.B. als Forsthaus und als Amtsgericht. Seit fast 30 Jahren ist es im Besitz eines Arztes, der darin wohnt und dort eine Arztpraxis betreibt.
Diese Zerstörungen und Umwidmungen haben natürlich ihre Spuren hinterlassen. Kaum jemand würde in diesem herunter gekommenen Gebäude ein "Schloss" erkennen. Bedenkt man, dass in den östlichen Ländern wirkliche Schlösser zu tausenden für einen einzigen Euro zu kaufen sind - allerdings mit der Verpflichtung zur Selbstrenovierung - dann fragt man sich, wie die Denkmalschutzbehörde auf den Gedanken kommen konnte, in eine solche "Ruine" überhaupt noch einen Cent hinein zu stecken.
Das ausgedehnte Walmdach ist seit Jahren wasserdurchlässig, das Gebälk allseits marode und deshalb soll es einer komplett neuen Abdeckung weichen. Besonders gravierend ist, dass sich im ganzen Gebäude der sog. Hausschwamm eingenistet hat. Um dieses gefährlichen Schädlings Herr zu werden, müssen Böden, Wände und Fenster totalsaniert werden. Ob nach dieser Prozedur überhaupt noch originale Bausubstanz übrig bleibt, ist sehr fraglich.
Da fühle ich mich doch an ein anderes Schloss erinnert, dessen Totalrekonstruktion derzeit im Rahmen eines Architektenwettbewerbs beschlossen wurde: das Berliner Stadtschloss. Dieses Preussenschloss, von dem aus Kurfürsten, Könige und Kaiser regierten, mit einem Jagdschlösschen zu vergleichen, scheint hoch gegriffen; trotzdem gibt es einige bemerkenswerte Parallelen.
Von beiden Schlössern existieren keine Baupläne mehr; allenfalls einige Zeichnungen und Photos sind geblieben, die den beabsichtigten Wiederaufbau bzw. seine umfassende Renovierung unterstützen sollen. Noch schlimmer aber ist der Verlust der historischen Bausubstanz; im Falle des Berliner Schlosses durch den politisch gewollten Totalabriss, beim Kirchenlamitzer Schlösschen durch die verantwortungslose Verlotterung über Jahrzehnte hinweg. Dabei ist es gerade die originale Bausubstanz, welche einem Bauwerk seine Authentizität verleiht. Der Architekturhistoriker Wolfgang Pehnt vergleicht sie "mit dem Sauerteig, der das Brot durchdringt".
In Berlin hat man sich bekanntlich dafür entschieden, drei der vier Fassaden original zu rekonstruieren. Der bislang fast unbekannte italienische Architekt Franco Stella hat sich eng an die Vorgaben der Politiker gehalten und so den Wettbewerb gewonnen. Die Bundestagsabgeordneten wollten in ihren Beschluss aus dem Jahr 2002 das "Original". Was sie jetzt bekommen - sofern Stellas Entwurf wirklich realisiert wird - ist jedoch allenfalls ein "Remake". Und mit einer Fassadenästhetik, wie man sie heute auch bei Shopping Malls sehen kann.
Am bedenklichsten ist jedoch der Umstand, dass bei beiden rekonstruierten Schlössern Fassaden und Inhalte konträr auseinander laufen. Im Fichtelgebirge umhaust die Schlossfassade, wie oben gesagt, die Wohn- und Praxisräume eines niedergelassenen Arztes. Im Berliner Schloss will man später ein Museum einrichten. Aussereuropäische Kunstobjekte, zumeist aus Afrika stammend, sollen den riesigen Innenraum füllen. Aus der Fassade würde niemand auf diesen Nutzungszweck schliessen; sie verkommt dadurch zur blossen Attrappe. Und peinlich ist die Museumsidee ohnehin. Denn diese ethnologischen Kunstgegenstände wurden doch zumeist in unserer (glücklicherweise kurzen) Kolonialzeit aus Afrika und Asien "beschafft", als die damaligen Schlossbewohner als gekrönte Häupter noch in Amt und Würden waren.
Nein, gelingen werden diese Rekonstruktionen weder beim grossen noch beim kleinen Schloss. Aber gibt es in unserem ehedem so zerbombten Vaterland überhaupt noch Beispiele für einen gelungenen Wiederaufbau? Ja, durchaus. Zum Beispiel das Buddenbrookhaus in Lübeck und auch der Kranz der Kölner Stiftskirchen gehört dazu. Und vorallem die Dresdner Frauenkirche. Ihre frühere Funktion ist auch die jetzige; die Ausstrahlung auf die Menschen ist geblieben.
Kann man an dieser Situation noch etwas ändern? Beim Fichtelgebirgsschloss sicherlich nicht. Es wird noch in diesem Jahr fertig renoviert sein und dann mit erbaulichen Reden der Lokalpolitiker (unter feierlicher Mitwirkung der Feuerwehrkapelle) eingeweiht werden. Aber beim Berliner Stadtschloss ist der Gang der Dinge noch zu verändern. Aus den Erkenntnissen des abgelaufenen Architektenwettbewerbs könnte der Bundestag die richtigen Schlüsse ziehen und einen zweiten Wettbewerb zulassen, bei dem die Planer nicht mehr so sklavisch an das preussische Original gebunden sind.
Marquis Posa hätte unseren Abgeordneten zugerufen:
"Geben Sie Gedankenfreiheit!".
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