Wie sehr hatten wir uns doch auf die Neuaufnahme der Wagner-Oper "Das Rheingold" gefreut, die vergangene Woche am Badischen Staatstheater in Karlsruhe gespielt wurde. Um es vorweg zu sagen: es war eine Enttäuschung. Weniger wegen der Musik, sondern vorallem wegen der Inszenierung, die uns - meiner Frau und mir - einfach nicht gefallen hat. Im Programmzettel wird Denis Krief als Alleinverantwortlicher für Regie, Bühne und Kostüme genannt; deshalb richtet sich diese Kritik vornehmlich an ihn.
Der Verdruss beginnt bereits mit den ersten Takten der Oper. Während die Kontrabässe noch ihr Es-Dur-Motiv brummen und damit den "Anfang der Welt" suggerieren, öffnet sich der Bühnenvorhang und herab schwebt eine Art Vorhangstange, an der (in Mannshöhe) Plastikstreifen hängen. Durch sie bewegen sich in Ringelreihen die drei Rheintöchter und versuchen mit ihrem alliterativen Gesang - weia, waga, woge du Welle - den Nibelungenchef Alberich zu becircen. Im Bühnenhintergrund ist ein waberndes Dia mit Wasser zu erkennen. Die Illusion jedoch, auf den Grund des Rheins und des Goldschatzes zu schauen, kommt bei solchen Versatzstücken mitnichten auf.
Hinzu kommt, dass Alberich keineswegs als hässlicher, kleiner Zwerg erscheint, sondern eher als vierschrötiges Mannsbild. In späteren Szenen überragt er sogar Wotan um eine halbe Haupteslänge und da er zudem ähnlich wie der Gottvater gewandet ist, wäre er von diesem kaum zu unterscheiden, trüge Wotan nicht ständig sein Wahrzeichen, den Speer.
Das Bühnenbild, wohl auch von Krief zu verantworten, ist an Sterilität nicht zu überbieten. Es besteht aus drei wuchtigen Halbschalen, die an Seilen hängend vom Schnürboden herabgelassen und auf verschiedene Weise positioniert werden. Senkrecht aufgestellt sollen sie die Götterburg Walhall darstellen, in liegender Form das Reich der Nibelungen. Das Recyceln dieser Mehrzweckmöbel lässt keine Stimmung aufkommen, sondern nährt allenfalls den Verdacht, dass mächtig gespart werden sollte.
Gespart wurde auch an den Nibelungen, die kaum zu sehen waren. Als sie das von Alberich geraubte Rheingold herausrücken müssen, geschieht dies auf eine bemerkenswerte Weise: durch ein Loch im Bühnenboden werden etwa zwei Dutzend Säcke, gefüllt mit "Gold" (in natura wohl Styropor) in lockerem Tempo nach oben geworfen. Da jeder Sack, nach meiner Abschätzung, ein Volumen von mindestens 25 Litern hatte, so musste darin - ein spezifisches Gewicht von 20 unterstellt - eine halbe Tonne Gold verpackt sein. Alberichs unsichtbare Zwerge müssen also geradezu titanische Körperkräfte gehabt haben. Schade, dass man ihrer nicht ansichtig wurde. (In Bayreuth, bei den diesjährigen Wagner-Festspielen, löste man dieses Regieproblem dadurch, dass man das Gold in Form von glitzernden Folien durch kleinwüchsige Nibelungen (Kinder?) aus der Unterwelt herauftragen liess.)
Eine Zumutung besonderer Art waren die Riesen Fafner und Fasolt, welche die Burg Walhall für Wotan gebaut hatten. Es sind nämlich gar keine Riesen, sondern ganz gewöhnliche mittelgrosse Menschen, die man in helle Kitteln gesteckt hatte. Warum Wotan (mit Speer) und seine ebenfalls bewaffneten Götterkollegen Donner und Froh vor diesen Zweien Angst haben sollten - und Wotan sich von ihnen sogar seine Schwägerin Freia rauben liess - ist für Erstbesucher dieser Oper vollkommen unverständlich. Eine solche personelle Sparversion ist einzigartig. In dieser Logik könnte man den Ring auch konzertant aufführen.
Es gäbe noch einiges zu kritisieren, aber ich will es damit bewenden lassen. Die Musik (unter dem neuen Dirigenten Justin Brown) war ganz ordentlich, aber auch nicht mehr. Die Bläser waren leider nicht in Hochform und zuweilen kratzten auch die Geiger. Übrigens: als ich etwa eine Viertelstunde vor Aufführungsbeginn in die Tiefgarage des Theaters einfuhr, sah ich noch einige Orchestermitglieder mit dem Geigenkasten auf dem Rücken (bei regnerisch-kaltem Wetter!) zum Bühneneingang eilen. Über klamme Finger sollte man sich also nicht wundern. Wäre ich Intendant, dann hätten diese Herrschaften Präsenzpflicht im Orchestergraben - und zwar eine volle Stunde vor Aufführungsbeginn.
Der Spötter Loriot sagte einmal, Wagner hätte sich beim Nibelungenring die Mühsal mit vier Opern ersparen können, wenn die Rheintöchter den liebestollen Alberich etwas zärtlicher behandelt hätten. Dann hätte dieser nämlich nicht das Gold geraubt und daraus den verhängnisvollen Ring geschmiedet. Mag sein, aber meiner Frau und mir wäre das nicht recht gewesen.
Denn - Regisseur Krief hin oder her - für die nächste Ringoper, die "Walküre" am 7. Dezember, werde ich mir trotzdem wieder zwei Karten besorgen.
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