Sonntag, 26. Oktober 2008

Trüffel satt

Der Mai ist der Hauptmonat für den Spargel; der Oktober gehört den Trüffeln. Zur Spargelsammelstelle in Bruchsal fährt man blosse 20 Kilometer; zu den Fundstellen des italienischen Trüffels, z. B. in der Region Marken, muss man sich 2.000 km (hin und zurück) bewegen.


Trüffel sind also schweineteuer, was mich elegant auf das wichtigste Tier in diesem Nahrungsmittelbereich bringt: das Trüffelschwein . Da der Trüffelpilz etwa einen viertel Meter unter der Erde wächst, ist er auch von einem scharfäugigen Pilzsammler nicht ausfindig zu machen. Das (weibliche) Schwein jedoch, mit seinem hochempfindlichen Sensorium im Rüssel, nimmt durch winzige Bodenspalten den intensiven Duftstoff der Trüffel auf, die dem Sexualreizstoff des Ebers ähneln. Leider wird es sofort nach der Entdeckung dieses Aphrodisiakums sehr wild, stösst mit dem Rüssel in kürzester Zeit ein tiefes Loch in den Boden und versucht den wertvollen Trüffel selbst zu fressen. Der Schweineführer muss also höllisch aufpassen, sonst landet seine Delikatesse im Magen der Sau. Wegen dieser Bodenzerstörung ist in Italien seit einiger Zeit die Trüffelsuche mit den Schweinen verboten. Man behilft sich stattdessen mit abgerichteten Húnden, die beim Fündigwerden nur leicht mit den Pfoten an der Bodenoberfäche scharren.


Der Pilzkundler unterscheidet etwa ein gutes Dutzend verschiedener Trüffelarten, der Gourmet im Grunde nur zwei: den weissen Trüffel (italienisch: tartufo bianco) und den schwarzen Trüffel (tartufo nero). Die Trüffel wachsen bevorzugt in Italien unter ausgedehnten Eichenwäldern. Berühmt sind die Plätze im piemontesischen Alba und in den Marken, einer Region, die sich von der Toskana bis zur Adria hin erstreckt. (Schwarze Trüffel guter Qualität gibt es auch im französischen Perigord). Zumeist werden die Trüffel im Herbst und Winter geerntet; Sommertrüffel sind geschmacklich weniger intensiv.


Das Mekka der Trüffelfreunde ist der kleine unscheinbare Ort Acqualagna in den Marken. Dorthin zog es uns für eine Woche in diesem Oktober. Denn Trüffelkauf ist Vertrauenssache; als Laie kann man dabei schwer über den Tisch gezogen werden. Die Pilzknollen sehen äusserlich sehr unscheinbar aus; ihr Wert bemisst sich in erster Linie nach ihrem Gewicht. Es soll schon vorgekommen sein, dass der Käufer zuhause (schwere) Schrotkugeln in seinen Trüffeln fand, was vorher den Kaufpreis natürlich entsprechend in die Höhe getrieben hat.


In einem typischen Trüffelladen in Acqualagna kommt man sich ein bisschen vor wie in der Diamantengasse von Amsterdam. Der Verkäufer entnimmt ein sorgfältig zusammen geschlagenes Tuch aus einer gekühlten Vitrine, öffnet es andachtsvoll vor dem Kunden und sofort strömt diesem ein betörender Schwall des moschusartigen Trüffelaromas entgegen. Weisse Trüffel duften besonders intensiv und sind deshalb auch ein Mehrfaches teurer als die schwarze Sorte. Derzeit liegt der Preis für tartufi bianci bei 2 bis 3 Euro pro Gramm. Eine mittelgrosse Knolle von 20 g kostet also um die 50 Euro. Abgewogen werden die Trüffel in einer speziellen Feinwaage, die genauestens justiert werden kann. Man wickelt sie in saugendes Papier ein und zuhause sollte sie unbedingt im Kühlschrank gelagert werden. Noch besser ist es, wenn sie sofort verarbeitet und genossen werden. Denn insbesondere der weisse Trüffel verliert sein Aroma schon nach einer Woche, schwarze halten etwas länger vor.


Geruch und Geschmack der Trüffel entfalten sich besonders gut, wenn man einen Geschmacksträger einsetzt. Am besten dafür eignen sich Butter und Eigelb. Der Feinschmecker bevorzugt die einfache Art der Trüffelzubereitung: Omelett, Rührei oder Eiernudeln mit Butter. Dabei wird der Trüffel nach der Zubereitung der Nudeln in hauchdünne Scheiben geschnitten und auf die Pasta gestreut. In Italien verwendet man bevorzugt Tagliatelle, also die bekannten Bandnudeln. Um Eier zu aromatisieren, kann man frische Eier zusammen mit Trüffel in einem verschlossenen Glas etwa zwei Tage lagern. Anschliessend wird Rührei bereitet, das fantastisch nach Trüffeln schmeckt.


Schliesslich gibt es mittlerweile eine Menge Produkte, die es gestatten, den Trüffelgeschmack über längere Zeit zu konservieren. In erster Linie zu nennen ist das Trüffelöl, auf der Basis von Olivenöl, das in kleinen, attraktiven Flaschen abgefüllt wird. Darüberhinaus werden auch alerlei Cremes und Pasten angeboten, die sich hervorragend für Aufstriche von gerösteten Weissbrotscheiben eignen - genossen mit Champagner, beispielsweise. Das ausgefallenste Produkt ist der Schokoladentrüffel, dem echter schwarzer Trüffel beigemengt ist und der überraschend gut schmeckt.


Einen grossen Bogen sollte man um Liköre machen, bei denen ein Stück Trüffel in der Flasche herumschwimmt. Brr!

Freitag, 17. Oktober 2008

Im Rückblick: Die Internet-Blase

Spekulationsblasen gab es immer wieder in der neueren Finanz- und Wirtschaftsgeschichte. Eine ganz besonders schlimme, die Immobilienblase, versuchen unsere Politiker derzeit in den Griff zu bekommen. Unter welchen Konsequenzen für uns alle, kann noch gar nicht abgeschätzt werden. Sicher ist eigentlich nur, dass die Krise mit der Ausgabe "fauler" Hypothekendarlehen in den USA ihren Anfang nahm, dass diese Kredite als Zertifikate über die ganze Welt verstreut wurden und, mit dem positiven Testat der Rating-Agenturen versehen, von den Banken in grosser Zahl gekauft wurden. Darauf sitzen die Banker nun und misstrauen einander.

Die vorletzte Spekulationsblase, bei welcher sich der Finanzmarkt zeitweise völlig von der realen Güterwirtschaft abgekoppelt hatte, war die sogenannte Internetblase vor ca. 8 Jahren. Die Internettechnologie verbreitete sich bekanntlich mitte der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, als der Amerikaner Jim Clark mit seinem Browser "Netscape" jedem PC-Besitzer den schnellen Zugang zum World Wide Web verschaffte. Bill Gates von Microsoft hatte diese Entwicklung anfangs verpasst, zog aber bald mit dem Netzzugang "Explorer" nach. Die Folge war ein weltweiter Boom an (zumeist) kleinen Firmen, welche diese Technologie aufgriffen, um kreative Software für wirtschaftliche Nutzanwendungen zu entwickeln.

In Deutschland war die Firma Pixelpark prominent, welche unter ihren "Guru" Paulus Neef Multimediaanwendungen betrieb. Sie erschien so "sexy", dass sich sogar ansonsten stockkonservative Unternehmen, wie Bertelsmann, bei ihr einkauften. In Jena gründete der 30-jährige Stephan Schambach die Fa. Intershop, die vornehmlich auf E-commerce ausgerichtet war. Lothar Späth, als Chef der Jen-Optik, wurde nicht müde, ihn als Vorzeigeunternehmer der aufstrebenden östlichen Länder zu preisen. Karl Matthäus Schmidt, schliesslich, wurde mit seiner Kleinfirma Consors schon als 25-jähriger "Unternehmer des Jahres", weil er mit seinem Internetportal den Bankkunden die direkte Erledigung ihrer Geschäfte ermöglichte. Im weiteren Umfeld gab es noch einige kleine Firmen, die sich mit Gentechnik und Biomedizin beschäftigten (z.B. Morphpsys, Qiagen) und sogar das später berühmt-berüchtigte Filmunternehmen EM.TV der Brüder Thomas und Florian Hoffa, rechnete man dazu.

Diese Kleinunternehmen ("start-ups") wurden anfangs von risikobereiten "Venture- Capital-Gesellschaften" finanziert, oder auch direkt von vermögenden Privatpersonen. Und wahrscheinlich wäre alles gut gegangen, wenn es bei diesem Finanzierungsschema geblieben wäre. Stattdessen überredete man die Internetfirmen- obschon keine von ihnen nennenswert Gewinne machte - sich in Aktiengesellschaften umzuwandeln. Die Deutsche Börse richtete flugs ein eigenes Börsensegment, den Neuen Markt (NEMAX) ein, und die renommierten Geschäftsbanken wie Deutsche Bank, Dresdner Bank, Commerzbank etc. nahmen die noch grünen Kleinunternehmer "unter ihre Fittiche".

Mit der Ausgabe der Aktien wurde der staunenden und gutgläubigen Käuferwelt auch eine neue volkswirtschaftliche Theorie verkauft: die New Economy. Die Verfechter diesen neuen Ökonomie behaupteten, dass die industrielle Fertigung von Gütern immer weniger wichtig werde, und an ihre Stelle die Verteilung von Informationen und Inhalten träte, der sog. Content. Während in der klassischen Wirtschaft die Knappheit eines Gutes seinen Preis bestimme, geschähe dies in der New Economy über den weltweiten Verbreitungsgrad. Es gelte, möglichst vielen Menschen den Zugang zu Komunikationsmitteln zu ermöglichen, dann werde sich der Gewinn von selbst einstellen.

Wichtig war also das Wachstum dieser jungen Internetfirmen - und nicht ihre Rendite. Deshalb wurde Pixelpark-Chef Paulus Neef von den Journalisten auch immer wieder gefragt, wieviele Mitarbeiter ("pixels") er pro Quartal einstellen könne. Schliesslich schaffte es Neef auf 1.200 Angestellte zu kommen, die sich allesamt duzten und die auf flachen Hierarchien angesiedelt waren. Mehr gab der abgegraste Informatikermarkt nicht her, sodass zeitweise sogar Inder angeheuert werden mussten. (Den ersten Gewinn machte die später mehrfach umstrukturierte Firma Pixelpark im Jahr 2006; es waren bescheidene 780.000 Euro)

Das grosse Publikum, welches weder vom Internet noch von Aktien eine wirkliche Ahnung hatte, rieb sich die Augen und stellte fest, dass der Kurswert dieser Kleinunternehmen rasant stieg. Um die Jahrtausendwende besassen die drei Firmen Pixelpark, Intershop und Consors zusammen einen Börsenwert von 30 Milliarden Mark, womit sie den Volkswagenkonzern übertrafen. Dabei machte VW 147 Milliarden Mark Umsatz, die drei Zwerge aber noch nicht mal eine halbe. Und Volkswagen gehörten weltweit viele Dutzend Fabriken und Immobilien, während das Vermögen der dreien aus ca. 2.000 PC bestand, vergleichbar mit einem heutigen Call-Center.

Zwischen den Jahren 1999 und 2000 explodierten die Börsenkurse der Internetfirmen geradezu. Die BILD-Zeitung berichtete fast täglich über neue Millionäre und viele Menschen plünderten ihr Sparbuch um damit Internetaktien zu kaufen. Sogar Stammtische wandelten sich spontan in Aktienvereine um und statt "contra" und "re" hiess es jetzt "kaufen" bzw. "halten". Gleiches galt für die Kaffekränzchen der Damen, welche sich ebenfalls mutig ins Börsengetümmel stürzten, um mit den erwarteten Gewinnen Urlaubsreisen in die USA zu finanzieren. Der Aktienkauf war zum Volkssport geworden. In dieser Goldgräberstimmung verscherbelte auch Siemens clever ihre gewinnarme Halbleiterfertigung Infineon und Telekom brachte mit einer weiteren Tranche an "Volksaktien" viele Unbedarfte um viel Geld.

Am 13. März 2000 war die Party zu Ende. Als die Internetfirmen in ihren Bilanzen nur Verluste meldeten, wollten plötzlich alle verkaufen und die Kurse der Aktien krachten nach unten. Vorzeigeunternehmer Schambach sass gerade im Flugzeug nach Kalifornien und wollte Geschäfte mit Silicon Valley machen. Als er in San Franzisco ausstieg, war der Wert seines Unternemens um 70 % abgestürzt und er konnte gleich wieder den Rückflug antreten. Der Kurs der Pixelpark-Aktie, der nach der Ausgabe 1999 innerhalb eines Monats von 5 auf 60 DM gestiegen war und dann innerhalb weniger Monate weiter bis auf 338 DM, fiel wieder zurück auf 5 DM. Aus vielen, vorher heissbegehrten Aktien, waren "penny-stocks" geworden, deren Wert sich jetzt im Pfennigbereich bewegte. Die Internetfirmen mussten den Grossteil ihres Personals entlassen; die "Pixels" richteten, zu Neefs Verdruss und zur Freude der Gewerkschaften, sogar einen Betriebsrat ein. Viele der zuvor noch händeringend gesuchten Informatiker standen arbeitslos auf der Strasse.

Die Deutsche Börse beschloss, ihr bisher hochgeschätztes Technologiesegment Nemax aufzulösen. Ähnlich und zeitgleich wie in Deutschland, verlief der Niedergang der Internetaktien auch in der übrigen Welt. Viele Menschen hatten viel Geld verloren und waren zum Teil sehr arm geworden. Der Wert des DAX fiel von 8000 im Jahr 2000 auf 2400 im Jahr 2003. Den ursprünglichen Wert von 8000 erreichte er erst wieder 4 Jahre später - und da befanden wir uns bereits (ohne es zu ahnen) wieder in der nächsten Krise, der Immobilienkrise.

Ohne Beschädigung kamen die bereits genannten drei deutschen Grossbanken aus dieser Malaise. Sie hatten rechtzeitig "Kasse gemacht" und ausserdem fette Provisionen bei den Börsengängen der Internetfirmen bezogen. Dass sie dabei sehr fahrlässig bei der Bewertung dieser Jungfirmen waren, wurde von der Börsenaufsicht leider nicht bemängelt und schon gar nicht sanktioniert.

Eines unterscheidet die damalige Internetblase recht deutlich von der heutigen Immobilienblase: die Wertschöpfung. Das Internet ist eine Megatechnologie im Bereich der Kommunikation und der Multimedia. Im Verlaufe der Internet-Ära wurden - bis heute, übrigens - wirkliche technische und wirtschaftliche Werte geschaffen. Die Internettechnologie samt begleitender Hardware und Software (www, Mobiltelefon, Notebook, Glasfaser, Breitband, Digitaltechnik, MP3, Cisco, Amazon, Ebay,Yahoo, Google, Youtube, Wikipedia etc.etc.) ist ein technischer und wirtschaftlicher Quantensprung und durchaus vergleichbar mit der Einführung der Eisenbahn und des Automobils. Diese jungen Informatiker haben in weniger als zwei Jahrzehnten mit Begeisterung eine neue Welt geschaffen. Dass ihre finanzielle Unbedarftheit von den Bankern so schamlos ausgenutzt wurde - auch zu Lasten grosser Teile der Bevölkerung - ist ihnen nicht vorzuwerfen.

Demgegenüber ist die heutige Krise eine Folge der weltweiten Zockerei der Bank- und Investmentmanager, bei der - ausser ein paar schon vergammelnde Holzhäuser in den USA - keine bleibenden Werte geschaffen wurden. Viele der Bankbosse haben sich dabei die eigenen Taschen voll gestopft.

Wir werden die Schleifspuren dieser Rezession sicherlich viel länger erdulden müssen als bei der Internetkrise.

Sonntag, 12. Oktober 2008

Eine misslungene Inszenierung

Wie sehr hatten wir uns doch auf die Neuaufnahme der Wagner-Oper "Das Rheingold" gefreut, die vergangene Woche am Badischen Staatstheater in Karlsruhe gespielt wurde. Um es vorweg zu sagen: es war eine Enttäuschung. Weniger wegen der Musik, sondern vorallem wegen der Inszenierung, die uns - meiner Frau und mir - einfach nicht gefallen hat. Im Programmzettel wird Denis Krief als Alleinverantwortlicher für Regie, Bühne und Kostüme genannt; deshalb richtet sich diese Kritik vornehmlich an ihn.


Der Verdruss beginnt bereits mit den ersten Takten der Oper. Während die Kontrabässe noch ihr Es-Dur-Motiv brummen und damit den "Anfang der Welt" suggerieren, öffnet sich der Bühnenvorhang und herab schwebt eine Art Vorhangstange, an der (in Mannshöhe) Plastikstreifen hängen. Durch sie bewegen sich in Ringelreihen die drei Rheintöchter und versuchen mit ihrem alliterativen Gesang - weia, waga, woge du Welle - den Nibelungenchef Alberich zu becircen. Im Bühnenhintergrund ist ein waberndes Dia mit Wasser zu erkennen. Die Illusion jedoch, auf den Grund des Rheins und des Goldschatzes zu schauen, kommt bei solchen Versatzstücken mitnichten auf.


Hinzu kommt, dass Alberich keineswegs als hässlicher, kleiner Zwerg erscheint, sondern eher als vierschrötiges Mannsbild. In späteren Szenen überragt er sogar Wotan um eine halbe Haupteslänge und da er zudem ähnlich wie der Gottvater gewandet ist, wäre er von diesem kaum zu unterscheiden, trüge Wotan nicht ständig sein Wahrzeichen, den Speer.


Das Bühnenbild, wohl auch von Krief zu verantworten, ist an Sterilität nicht zu überbieten. Es besteht aus drei wuchtigen Halbschalen, die an Seilen hängend vom Schnürboden herabgelassen und auf verschiedene Weise positioniert werden. Senkrecht aufgestellt sollen sie die Götterburg Walhall darstellen, in liegender Form das Reich der Nibelungen. Das Recyceln dieser Mehrzweckmöbel lässt keine Stimmung aufkommen, sondern nährt allenfalls den Verdacht, dass mächtig gespart werden sollte.


Gespart wurde auch an den Nibelungen, die kaum zu sehen waren. Als sie das von Alberich geraubte Rheingold herausrücken müssen, geschieht dies auf eine bemerkenswerte Weise: durch ein Loch im Bühnenboden werden etwa zwei Dutzend Säcke, gefüllt mit "Gold" (in natura wohl Styropor) in lockerem Tempo nach oben geworfen. Da jeder Sack, nach meiner Abschätzung, ein Volumen von mindestens 25 Litern hatte, so musste darin - ein spezifisches Gewicht von 20 unterstellt - eine halbe Tonne Gold verpackt sein. Alberichs unsichtbare Zwerge müssen also geradezu titanische Körperkräfte gehabt haben. Schade, dass man ihrer nicht ansichtig wurde. (In Bayreuth, bei den diesjährigen Wagner-Festspielen, löste man dieses Regieproblem dadurch, dass man das Gold in Form von glitzernden Folien durch kleinwüchsige Nibelungen (Kinder?) aus der Unterwelt herauftragen liess.)


Eine Zumutung besonderer Art waren die Riesen Fafner und Fasolt, welche die Burg Walhall für Wotan gebaut hatten. Es sind nämlich gar keine Riesen, sondern ganz gewöhnliche mittelgrosse Menschen, die man in helle Kitteln gesteckt hatte. Warum Wotan (mit Speer) und seine ebenfalls bewaffneten Götterkollegen Donner und Froh vor diesen Zweien Angst haben sollten - und Wotan sich von ihnen sogar seine Schwägerin Freia rauben liess - ist für Erstbesucher dieser Oper vollkommen unverständlich. Eine solche personelle Sparversion ist einzigartig. In dieser Logik könnte man den Ring auch konzertant aufführen.


Es gäbe noch einiges zu kritisieren, aber ich will es damit bewenden lassen. Die Musik (unter dem neuen Dirigenten Justin Brown) war ganz ordentlich, aber auch nicht mehr. Die Bläser waren leider nicht in Hochform und zuweilen kratzten auch die Geiger. Übrigens: als ich etwa eine Viertelstunde vor Aufführungsbeginn in die Tiefgarage des Theaters einfuhr, sah ich noch einige Orchestermitglieder mit dem Geigenkasten auf dem Rücken (bei regnerisch-kaltem Wetter!) zum Bühneneingang eilen. Über klamme Finger sollte man sich also nicht wundern. Wäre ich Intendant, dann hätten diese Herrschaften Präsenzpflicht im Orchestergraben - und zwar eine volle Stunde vor Aufführungsbeginn.


Der Spötter Loriot sagte einmal, Wagner hätte sich beim Nibelungenring die Mühsal mit vier Opern ersparen können, wenn die Rheintöchter den liebestollen Alberich etwas zärtlicher behandelt hätten. Dann hätte dieser nämlich nicht das Gold geraubt und daraus den verhängnisvollen Ring geschmiedet. Mag sein, aber meiner Frau und mir wäre das nicht recht gewesen.


Denn - Regisseur Krief hin oder her - für die nächste Ringoper, die "Walküre" am 7. Dezember, werde ich mir trotzdem wieder zwei Karten besorgen.

Samstag, 4. Oktober 2008

In memoriam: Friedrich Arendt

Trauerrede beim Begräbnis unseres Freundes Friedrich Arendt

Sehr verehrte Frau Arendt
und Familie,
liebe Trauergäste.

Mein Name ist Willy Marth;
ich spreche für den Freundeskreis der Insel Rott.
Friedrich Arendt gehörte diesem Kreis
seit seiner Pensionierung vor 2 Jahren an.

Sein plötzlicher Tod macht uns sehr traurig.
Vorige Woche noch trafen wir uns alle
zur Geburtstagsfeier in meinem Haus.
Friedrich war munter, charmant und witzig - wie immer.
Dass er 4 Tage später schon tot sein sollte
war nicht vorstellbar
und hat meine Freunde und mich tief getroffen.

"Mors certa, hora incerta",
diese uralte Menschheitserfahrung,
wonach wir alle sterblich sind,
aber das Schicksal allein unsere Stunde bestimmt,
ist uns wieder einmal grausam bewusst geworden.

Ich kannte Friedrich schon seit langer Zeit.
Beide waren wir viele Jahre lang
im ehemaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe tätig,
in vergleichbaren Positionen.
Friedrich als Projektleiter für die Umwelt,
ich für ein Gebiet der Kernforschung.

Trotz der Gegensätzlichkeit der Themenfelder
war unser persönliches Verhalten
nie von Antagonismus bestimmt.
Im Gegenteil!
Immer wieder besuchten wir uns wechselseitig
in unseren Büros,
tauschten unsere Erfahrungen aus
und tasteten argumentativ die Stärken und Schwächen
unserer so unterschiedlichen Projekte ab.

Als er im Ruhestand zu unserem Freundeskreis stiess,
war Friedrich von Beginn an ein begehrter Gesprächspartner.
Er war intelligent, wusste über so vieles Bescheid
und war bereit
seinen grossen Erfahrungsschatz mit uns zu teilen.

Wir werden nun ohne ihn auskommen müssen.
Aber seine Todesanzeige drückt es treffend aus:
Weiterhin sind wir über eine Brücke mit Friedrich verbunden.
Es ist die Brücke der Erinnerung
an einen grossartigen Freund und Menschen.
Sie wird bleiben,
denn nur sie allein ist unvergänglich.

Ihnen, sehr verehrte Frau Arendt,
mit Ihrer Familie,
möchte ich unsere tief empfundene Anteilnahme aussprechen.
Wir vermögen den Verlust abzuschätzen,
der Sie getroffen hat.