In meiner Fichtelgebirgsheimat ist zur Zeit eine mächtige Diskussion im Gange über - Sie werden es nicht erraten - über Pumpspeicherkraftwerke. Sie haben sicherlich von diesen Anlagen gehört, die es schon seit fast einem Jahrhundert gibt: Aus einem Obersee entlässt man Wasser durch Rohrleitungen in den Untersee, wobei die eingebauten Turbinen Strom erzeugen. Später pumpt man dieses Wasser wieder hoch und das Spiel beginnt von neuem. Den Nutzen sehen die Stromerzeuger darin, dass sie bei hohem Stromangebot (und niedrigen Preisen) den Obersee billig füllen können, um ihn bei hohem Strombedarf (und entsprechend hohen Preisen) wieder zu entleeren.
Ein solches Pumspeicherkraftwerk soll in der Nähe unserer Kreisstadt Wunsiedel entstehen, wobei der Obersee bei der Luisenburg, der Untersee im Röslautal liegen soll. Und wie immer bei Kraftwerksprojekten, gibt es leidenschaftliche Befürworter und ebenso leidenschaftliche Gegner. Der Dissens fängt schon damit an, dass die einen in dieser Anlage eine Stromerzeugungsmaschine, die anderen hingegen eine Stromvernichtungsmaschine sehen. Das mag verblüffen, aber erstaunlicherweise haben beide Parteien recht. Wenn ein Pumpspeicherkraftwerk sein Wasser aus dem Obersee entlässt, so produziert es ohne Zweifel Strom. Aber das Wasser muss später ja wieder hochgepumpt werden und dafür ist - wegen der unvermeidlichen Reibungsverluste etc. - etwa 30 % mehr Energie erforderlich. Energetisch könnte man also auch von einer "Stromvernichtungsmaschine" sprechen. Vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt allerdings rechnet sich das Ganze, weil man, (siehe oben) zu gewissen Zeiten eben einen höheren Strompreis erzielen kann. Im Kern sind Pumpspeicherkraftwerke also Regelanlagen für das elektrische Netz.
Mancher Anwohner dieser künstlichen Seen spekuliert bereits auf ein erhöhtes sportliches Freizeitangebot, etwa im Bereich des Angelns, des Schwimmsports, der Segelei u.a.m. Aber daraus wird wohl nichts, denn aus Sicherheitsgründen wird man beide Seen einzäunen müssen. Während des Turbinen- und Pumpbetriebs schwankt der Wasserspiegel in kurzer Zeit um mehrere Meter und es kommt zu mächtigen Strömungen und gefährlichen Strudeln. Die meterdicken Rohrleitungen erzeugen ungeheure Sog- und Schwallkräfte, die einen Schwimmer aufs Höchste gefährden würden. Auch ökologisch und biologisch sind solche Pumpspeicherseen durchaus problematisch. In der Schweiz hat man durch Messungen festgestellt, dass die künstlichen und schnell aufeinander folgenden Hoch- und Niedrigwasser die Fischeier und Wasserorganismen wegschwemmen, sodass die Fischbestände in kurzer Zeit aussterben.
Woher kommt dieses plötzliche Interesse am Bau neuer Pumpspeicherkraftwerke, sodass man sogar von einer Renaissance einer altbekannten Technologie sprechen kann? Die Antwort ist einfach: es ist die Windkraft, welche nach solchen Regeleinheiten ruft, genauer gesagt, das Stromangebot aus Windmühlen. Dieser Strom wird bekanntermassen sehr unregelmässig produziert - eben nach Windanfall - muss aber von den Stromfirmen gemäss dem Gesetz für Erneuerbare Energien (EEG) ins Stromnetz übernommen werden. Und das zu einem relativ hohen Festpreis. Die naheliegende Idee ist, den zu Unzeiten erzeugten Windstrom für Pumpspeicherkraftwerke zu verwenden, um ihn zu Hochpreiszeiten von dort wieder abzurufen. Im Grunde ist das eine Veredelung von Abfallstrom mit entsprechendem wirtschaftlichen Nutzen.
Mit dieser Idee beschäftigen sich - im Dunstkreis des Stromversorgers RWE - bereits eine Reihe von Hochschulinstituten. An der Ruhr-Universität Bochum wird die optimale Kopplung von Wind- und Wasserkraftwerken in Diplomarbeiten untersucht und führte im Jahr 2006 zur Verleihung des Umweltpreises an Dipl. Ing. Leif-Erik Langhans. An der TH Aachen kommt Professor Haubrich zu der Feststellung, dass Pumspeicherkraftwerke "die Geschwister der Windkraft" seien, weil ökologisch sauberer Strom in idealer Weise mit Windenergie kombiniert werde. In vielen akademischen Systemstudien wird überlegt, wie man die deutschen Mittelgebirge als Standorte für Pumpspeicherkraftwerke verwenden könnte. Da der Windstrom zumeist an der Nordeeküste erzeugt wird, ist ausserdem die Genehmigung und der Bau zusätzlicher Stromtrassen vom Meer zum Gebirge erforderlich. Kein Wunder, dass die Bewohner dieser meist landschaftlich schönen Gebirgsgegenden sich gegen diese Verunstaltung ihrer Heimat heftig zur Wehr setzen.
Welche Möglichkeiten gibt es, um die Windenergie weiterhin sinnvoll nutzen zu können - ohne den beschriebenen Landschaftsverbrauch? Nun, dafür wäre es notwendig das EEG so zu novellieren, dass der Windstrom nicht mit Priorität ins Netz "gedrückt" werden muss, mit dem Risiko der Überlastung und sogar von Netzzusammenbrüchen. Stattdessen sollten nicht benötigte oder gefährdende Erzeugungsspitzen durch Abschalten bzw. Abregeln der Windräder gekappt werden. Dies könnte in den Lastverteilerzentralen der Energieversorgungsunternehmen geschehen.
Im Fazit wäre gesamtwirtschaftlich günstiger, die Windfarmbetreiber für den entgangenen Erlös durch Abschalten bei Netzüberlastung zu entschädigen - wie es analog bereits seit langem in der Agrarwirtschaft bei drohender Überproduktion von Nahrungsmittel geschieht. Aber gegen Ideologien ist schwer anzukämpfen.
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