Eigentlich dürfte es meine Heimat - das Fichtelgebirge - längst nicht mehr geben. Dieses hufeisenförmige Mittelgebirge, östlich der Richard Wagner-Stadt Bayreuth gelegen, sollte spätestens zur Jahrhundertwende im Jahr 2000 seinen berühmten Fichtenbestand zur Gänze verloren haben und zu menschenleerem Ödland degeneriert sein. Denn, so verhiess die Theorie: mit dem Wald stirbt auch der Mensch. Stattdessen ist diese Gegend heute mehr denn je ein quirliges Touristen- und Industriegebiet, mit einer grossen Zahl vitaler und zufriedener Bewohner. Es lohnt sich, dieser prophetisch vorhergesagten - und dann doch nicht eingetretenen - Katastrophe nochmals literarisch nachzugehen; vielleicht ist es ein Lehrbeispiel für gegenwärtig diskutierte Untergangsszenarien.
Es begann vor gut 25 Jahren, anfang der 80er Jahre, als der Revierförster Sepp im Fichtelgebirge nicht mehr allein durch die schier endlosen Nadelwälder streifte, sondern zunehmend von "Baumkundlern" in dicken, handgestrickten Pullovern begleitet wurde, die sich "Ökologen" nannten und zumeist der neugegründeten Partei der Grünen angehörten. Sie machten den alten Förster auf "Baumschäden" aufmerksam, welcher dieser bislang übersehen hatte. Insbesondere gelichtete Baumkronen und lamettaartig herabhängende Zweige waren den Begleitern des Forstmannes ein untrügliches Zeichen dafür, dass dieser Baum demnächst sterben würde. Derer gab es viele und so wurde aus der Bezeichnung "Baumsterben" in kurzer Zeit das Panikwort "Waldsterben". Es dauerte nicht lange, dann griffen auch die Magazine "Spiegel" und "Stern" diese Phänomene auf. In viel gelesenen Titelgeschichten um 1981 stellten die Artikelschreiber in ihren warmen Hamburger Redaktionsstuben fest: "Jawohl, der Wald stirbt; das Fichtelgebirge (und den Schwarzwald) wird es nach dem Jahr 2000 nicht mehr geben."
Das musste die Politiker auf den Plan rufen, denn sie fühlen sich für die Lösung von Krisen aller Art zuständig. Natürlich nie allein, sondern immer nur mit Hilfe von Experten, zumeist renommierten Universitätsprofessoren. So wurden aus den ehedem einsamen Waldbegehungen des Revierförsters bald menschenreiche Prozessionen, ja Wallfahrten. Denn neben den schon genannten Ökoexperten waren plötzlich auch die Funktionäre der Naturschutzbehörden, wie NaBu, BUND, WWF, Greenpeace etc. zur Stelle, zusammen mit den Bundes- und Landespolitikern und einer stattlichen Reihe von Professoren, erfahren in Botanik, Pilzkunde, Bodenwachstum und Schadstoffverhalten usw. Sie alle observierten angestrengt mit hochauflösenden (auf Staatskosten beschafften) Zeissfernrohren die Nadeln in den Baumkronen und, o Schreck, alle Bäume waren erkennbar krank. Der mitlaufende Waldarbeiter Schorsch, mit 40 Jahre Forsterfahrung, raufte sich sein schon beträchtlich gelichtetes Haar und getraute sich zu fragen: "Warum soll ein Baum mit schütterer Krone unbedingt krank sein? Bei einem Mann mit schütterem Haar kommt doch auch niemand auf diese Idee?" Seine Fragen wurden geflissentlich überhört.
Die Politiker veranlassten jährliche Waldschadensstatistiken. Sie ergaben, das der deutsche Wald zu einem Drittel starke Schäden aufwies, zu einem weiteren Drittel mittlere bis schwache und, dass nur das letzte Drittel des Bestands wirklich gesund war. An dieser Aufteilung hat sich übrigens in den 20 Jahren dieser Erhebung von 1984 bis 2004 praktisch nichts geändert. Spötter sprachen von einem Naturgesetz, denn auch eine analoge Gesundheitsstatistik für Menschen würde wohl ein ähnliches Ergebnis zeitigen: ein Drittel der Menschheit, meist die Jugendlichen, fühlt sich gesund; bei einem weiteren Drittel, den 30 bis 60-jährigen kneift es hin und wieder mal und die Senioren sind in der Regel öfters krank. Trotzdem wird niemand ernsthaft behaupten wollen, dass die Menschheit demnächst ausstirbt.
Die Professoren wurden aufgefordert, die Ursachen für das Waldsterben zu ergründen. Gegen gutes Geld aus den Forschungs- und Umweltministerien, selbstredend. Und sie waren kreativ: Ozon, Stickstoffverbindungen, Schwefeldioxid, Autoabgase etc. wurden als Ursachen genannt. Ein Professor brachte nicht weniger als 170 Theorien zum Waldsterben vor und zwei waren besonders clever, indem sie die damals beliebtesten Horrorthemen der Presse in Verbindung brachten: Waldsterben mit Atomkraft und elektromagnetischen Wellen. Der Referent Günter Keil im Bundesforschungsministerium betreute viele dieser Förderanträge; er schätzt, dass für die Waldschadensforschung damals mehr als 500 Millionen D-Mark an Steuergeldern ausgegeben wurden.
Verwunderlicherweise gab es das Waldsterben im übrigen westlichen Europa nicht. Die Franzosen sprachen amüsiert von "le waldsterben" und spielten damit auf die romantische Waldverliebtheit der Deutschen und ihre Neigung zu dramatischen Übertreibungen an. Die Briten (und Amerikaner) prägten den Begriff "German angst" und eine Gruppe schwedischer Forstleute erkundete wochenlang die deutschen Wälder, fand nichts Bedrohliches und sagte bei ihrer Rückkehr in Stockholm platt: "Die Deutschen spinnen." Harsche Kritik gab es im November 1988 von der renommierten englischen Wissenschaftszeitschrift "Nature". Sie hielt den Waldschadensbericht für irreführend, weil sich ein Grossteil der darin als geschädigt gewerteten Bäume von selbst wieder regenerieren würde.
So war es auch. Der Witterungsstress durch Trockenheit und Frost zum Ende der 70er Jahre hatte den Bäumen arg zugesetzt. Hinzu kam der saure Regen aus den schwefelhaltigen Abgasen der Kohlekraftwerke. Im Fichtelgebirge kam er bei Ostwind aus Tschechien. Dieser Säureregen schädigte nicht nur die Nadeln und Blätter der Bäume, sondern zerfrass auch die Gebäude und liess die Seen absterben. Als die Reinhaltevorschriften der sog. TA-Luft anfang der 80er Jahre Wirkung zeigten, hatte der deutsche Wald - unbemerkt - bereits seine schlimmste Zeit hinter sich und befand sich auf dem Weg der Gesundung. In einigen Gegenden fehlte es an Magnesium im Boden; das liess sich durch Düngung leicht beheben.
Aber ein Grossteil der deutschen Presse polterte gewohnheitsmässig weiter, wenn die jährlichen - irreführenden - Waldschadensstatistiken veröffentlicht wurden: man hatte sich an dieses Untergangsszenario so gewöhnt. Und auch die Forscher formulierten weiterhin ihre Bedenken: man hatte sich an den Geldregen gewöhnt. Die Wahrheit jedoch liess sich nicht mehr lange verheimlichen. Nicht nur, dass der Wald, ums Verrecken, nicht sterben wollte, ja er fing sogar an, wieder schneller zu wachsen. Die Stickstoffdüngung aus der Luft verstärkte sein Wachstum und liess den Holzvorrat beträchtlich anschwellen. Es dauerte aber noch bis zum Jahr 2003, bis die damalige grüne Landwirtschaftsministerin Renate Künast sich getraute, das Waldsterben offiziell für beendet zu erklären.
Ihr Risiko war nicht allzu gross. Denn mittlerweile wurde eine neue Sau durch das "globale Dorf" getrieben. Man hätte dieses Phänomen als "leichte regionale Temperaturschwankungen" bezeichnen können, aber die einschlägige Presse witterte wieder eine neue PR-Bombe von ungeheurer Wirkung und nannte dieses Wetterphänomen kurzerhand "globale Klimakatastrophe." Peng! Und auch die ratgebenden Professoren liessen sich nicht lange bitten. Bisher randständige Fächer an den Universitäten, wie Meteorologie, erfreuen sich plötzlich milliardenschwerer Fördergelder, denn wiederum wollen die Politiker - siehe oben - die Ursachen dieses Phänomens erforscht haben.
Man sagt, die Geschichte wiederhole sich nicht. Vielleicht tut sie es doch - zuweilen.
Wer an dem Dogma von Albert zweifelt, dass die Lichtgeschwindigkeit überall gleich ist, der muss auch zweifeln, dass es einen Big Bang gab. Denn die Rotverschiebung, das stärste Argument für die Expansion des Universums der Big Bang Fans ist hinfällig, soll es sich zeigen, dass diese Geschwindigkeit irgendwo am Rande der schwarzen Löcher oder woanders doch variabel ist.
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