Mittwoch, 30. April 2008

Schwarzarbeiter müssen gewährleisten

Karlsruhe ist nicht reich an repräsentativen Gebäuden. Eines davon, im Stadtzentrum gelegen, ist das "Erbgrossherzogliche Palais", ein Schlossbau mit imperialer Oberlichtkuppel im Stile des Neubarock. Der badische Erbgrossherzog Friedrich liess das Palais 1897 errichten, aber nach der Flucht der adeligen Familie infolge der Novemberrevolution 1918 fiel es an das Land Baden zurück. Es diente fortan als Verwaltungsbau verschiedenen Zwecken, im Dritten Reich war darin der Reichsarbeitsdienst untergebracht. Seit 1950 bildet es das Hauptgebäude des Karlsruher Bundesgerichtshof (BGH).

Dorthin führte mich vorige Woche mein (Rentner-)Spaziergang. Zuerst musste ich das wehrhafte Kontroll- und Wachgebäude überwinden, wo man ähnlich wie auf einem Flughafen, überprüft und durchmustert wird. Aber schliesslich durfte ich doch in das Palais eintreten, in dem sich die Diensträume des Gerichtspräsidenten und vieler Richter befinden. Im Erdgeschoss ist eine 2,40 m hohe, dreieckige Stele aus vergoldetem Messing als Mahnmal für die Opfer der NS-Justiz aufgestellt. Sie trägt die Inschrift "Im Gedenken an die Frauen und Männer, denen im Namen des deutschen Volkes Unrecht geschah. 1933 - 1945". Clever formuliert, wie mir scheint, denn von den urteilenden Richtern ist dabei nicht die Rede.

Beim Besteigen des ausladenden Teppenbaus kam ich an einem Saal vorbei, der am Eingang mit einem Schild versehen war: VII Zivilsenat Bauwerkvertrags -und Architekturrecht. Ein Fernsehteam der ARD brachte eine Kamera in Position, ein halbes Dutzend Menschen, vermutlich Zuhörer, wisperten leise und so suchte ich mir auch einen Platz und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Es dauerte nicht lange und fünf Richter in leuchtend roten Roben zogen feierlich ein und besetzten die Richterbank. Ihnen gegenüber hatten schon kurz vorher zwei Anwälte in eben dieser Bekleidung ihr Pulte bezogen.

Und dann erfuhr ich den Anlass des Verfahrens. Ein Grundstückseigentümer hatte einen Vermessungsingenieur mit der geodätischen Vermessung seines Grundstücks beauftragt. Dem Ingenieur unterlief ein Fehler: nach der Bauausführung stellte man fest, dass Haus und Carport schief arrangiert waren. Schaden 30.000 Euro. Diesen wollte der Auftraggeber vom Auftragnehmer erstattet haben. Aber der Ingenieur weigerte sich. Er brachte vor, dass es sich um eine Schwarzarbeit gehandelt habe, weswegen er nicht zur Gewährleistung verpflichtet sei.

Da der Bundesgerichtshof ein Revisionsgericht ist, gibt es keine Beweisaufnahme mit Zeugen etc. Die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz werden einfach übernommen. Der BGH prüft in der Regel nur, ob das vorlaufende Landgericht oder Oberlandesgericht rechtlich korrekt geurteilt hat. Dementsprechend gehen die Anwälte - eine kleine, elitäre Gruppe von Juristen, welche von der Bundesjustizministerin eigens bestellt werden - juristisch und rhetorisch sofort in die Vollen. Es wimmelt nur so von Paragrafenzitaten und für den Laien ist das alles nur schwer verständlich. Aber ich hatte Glück. Zum einen war der geschilderte Sachverhalt recht einfach zu verstehen, zum anderen zentrierte sich die Argumentation der Rechtsanwälte auf die beiden Paragrafen 134 und 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Und diese hatte ich noch aus den Zeiten meines BWL-Studiums in dunkler Erinnerung.

Der Anwalt des Klägers, also des Häuslebauers, konzentrierte sich auf § 242, der kurz formuliert, aber sehr weitreichend ist. Er lautet folgendermassen: § 242 Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Es kann nicht sein, so war seine Argumentation, dass ein Handwerker Fehler macht und dann die Gewährleistung verweigert, indem er sich auf Schwarzarbeit herausredet.

Der Anwalt des Beklagten, also des Geometers, rückte den § 134 in den Vordergrund: §134 Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstösst. ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Er argumentierte, dasss das Rechtsgeschäft des Vermessungsauftrags ungültig sei, weil die finanzielle Abwicklung nicht legal vereinbart war. Die beiden Vorgerichte, das Landgericht Aachen und das Oberlandesgericht Köln, hatten übrigens die gleiche juristische Meinung und dem Vermessungsingenieur recht gegeben.

Aber der Bundesgerichtshof kippte diese Urteile und verwies den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück. Der BGH hielt es für treuwidrig im Sinne des § 242, wenn ein Handwerker die Gewährleistung verweigert, indem er auf die "Ohne-Rechnung-Abrede" verweist, an deren Zustandekommen er ja selbst beteiligt war. Immerhin wies der Senatsvorsitzende noch darauf hin, dass das Urteil so ausgefallen sei, weil es sich in diesem Fall nicht um "echte Schwarzarbeiten" illegaler Unternehmer und Handwerker handelte, sondern um Steuerhinderziehungsversuche zugelassener Auftragnehmer, die üblicherweise auf den Gelben Seiten des Telefonbuchs gelistet sind. Ausserdem handle es sich um einen Bauauftrag; die Übertragung des Urteils auf Schwarzarbeit generell sei nicht möglich.

Was lernen wir blutige Laien daraus?
Erstens: Wer jetzt schnell seinen polnischen oder elsässischen Hobbyhandwerker herbeiholt, um die Bäder renovieren zu lassen und das unter "steuerschonenden Preisabsprachen", geht ein hohes Risiko ein. Er sollte sich nicht darauf verlassen, dass ihm der BGH im Falle von Murks zur Gewährleistung verhilft. Eher wird sich das Finanzamt in die weitere Abwicklung einschalten.
Und zweitens: Der Vermessungsingenieur, welcher beim LG und OLG seine Prozesse gewonnen hatte, aber beim BGH verlor, wird sich des ewig gültigen Spruchs erinnern:

"Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand".

Sonntag, 27. April 2008

Schmu beim Ökostrom

Früher war Strom farblos und unsichtbar, denn er bestand aus fliessenden Elektronen. Neuerdings gibt es grünen Strom, gelben Strom (von Yello), grauen Strom und sogar schmutzigen Strom. Die Spitzenqualität, gewissermassen cru classé, bildet jedoch der Ökostrom, erzeugt aus erneuerbaren Energien. Sonderbarerweise ist dieser Bordeaux unter den Stromsorten schon relativ preiswert zu haben. Er kostet kaum mehr als herkömmlicher Strom, gelegentlich ist er sogar noch billiger. Die Stadtwerke Karlsruhe verkaufen diesen Premium-Strom für 19,64 cent pro Kilowattstunde und verlangen zusätzlich eine monatliche Grundgebühr von 7,74 Euro. Der normale Family-Tarif ist identisch, lediglich die Grundgebühr ist um 89 cent teuerer. Kein Wunder, dass viele Verbraucher zum Ökostrom überwechseln und sich damit ein gutes Gewissen verschaffen. Aber auch ganze Städte schwenken um und brüsten sich als vorbildliche Ökostrom-Kommunen. Beispielhaft genannt seien Speyer mit immerhin 50.000 Einwohnern , aber auch Kassel (200.000) und neuerdings sogar Nürnberg (500.000!).

Woher kommt dieser viele Strom? Im Internet bieten inzwischen schon an die 200 Erzeuger und Händler Ökostrom an. Und sie erklären das System in etwa so:
Da gibt es angeblich einen grossen Stromsee. In diesen speisen die Wasserkraftwerke. die Windräder, die Sonnenkollektoren und die sonstigen Erzeuger erneuerbarer Energien ein. Leider auch die schmutzigen Atom- und Kohlekraftwerke und die nicht so schlimmen Gas- und KWK-Kraftwerke, welche Graustrom liefern. Auf dem anderen Ufer des Sees wird der Strom entnommen und zu 73 % an die Industrie und zu 27 % an die Privatkunden verteilt.

Die Realität ist jedoch anders. Den Stromsee gibt es nicht, denn Strom wird naturgesetzlich in jedem Moment in dem Umfang erzeugt, wie er von den Verbrauchern angefordert wird. Und der Ökostrom wird dadurch auch nicht mehr. Zur Zeit werden 3,6 % relativ stetig über Laufwasser erzeugt, weitere - unstetige alternative Energie - sind der Wind (5,1 %), die Sonne (0,33 %) sowie die Biomasse (3,05 %). Mit diesen, grosszügig gerechnet, 12 % an grünem Ökostrom kann man - dauerhaft - keine Grossstadt versorgen. Oder doch?

Natürlich nicht, aber die Stromindustrie hat sich einen Trick ausgedacht. Und der heisst RECS, in Langschrift "Renewable Energy Certificate System". Mit Hilfe dieses cleveren Zertifizierungssystems ist es völlig legal, Atom- oder Kohlestrom in Ökostrom umzuetikettieren und umgekehrt. Ein Stromversorger kauft zum Beispiel an der Börse Strom vom Kernkraftwerk Biblis für 6 cent/kWh und "veredelt" ihn mit einem Ökozertifikat eines norwegischen Wasserkraftwerks, das aber nur 0,05 cent/kWh kostet. Der norwegische Betreiber soll dann im Gegenzug die entsprechende Menge seines Ökostroms in konventionellen Strom umetikettieren, was ihm aber keine Probleme bereitet, da seine Kunden sowieso nicht nach Etiketten fragen.

Nur auf diese Weise ist es möglich, dass in Deutschland ganze Städte, wie Kassel, von heute auf morgen komplett auf Ökostrom umsteigen können. Die Stadtwerke Kassel verkaufen natürlich physisch weiterhin ihren "Schmutzstrom" an ihre Kunden und kaufen lediglich ( für verhältnismässig wenig Geld ) RECS-Zertifikate ein. Diese belegen nichts weiter als, dass irgendwo in Europa die gleiche Menge Ökostrom hergestellt wird. Der Ökostrom für die Kasselaner ist also nur virtuell. Im Nachbarland Österreich reibt man sich schon verwundert die Augen darüber, dass ihr eigener Strom nicht mehr, wie gewohnt aus Wasserkraft, sondern zum Teil aus Kohle- und sogar aus Atomkraft stammt. Ade, atomfreies Österreich, die Abschaltung von Zwentendorf war vergebens.

Deutlich wird die Schlitzohrigkeit dieses Zertifizierungssystem, wenn man es auf den Kauf von Eiern anwenden würde. Angenommen, der Kunde kauft im Laden Bio-Eier, weil er die Käfighaltung der Hennen nicht unterstützen möchte. Zu Hause erfährt er jedoch, dass er in Wirklichkeit Käfig-Eier gekauft hat. Irgendwo in Europa wurde jedoch die gleiche Menge Bio-Eier produziert. Fast sein ganzes Geld geht jedoch an das System der Käfighaltung, nur einen Bruchteil davon erhält der wahre Produzent der Bio-Eier. Auch die RECS-Gebühren sollen an die Betreiber alternativer Energieanlagen gehen - aber tun sie das wirklich immer? Kein Wunder, dass die wenigen Stromversorger, welche sich nicht dem RECS-System angeschlossen haben, von Mogelpackung, Verschiebebahnhof oder gar Ökolüge reden. Nur wer direkt (und ausschliesslich) an einem Wasserkraftwerk hängt, bekommt reinen Ökostrom. Alle anderen müssen sich damit trösten, dass die von ihnen verbrauchte Strommenge irgendwo in Europa erzeugt und verkauft wird.

Aber so neu ist dieses Umwandlungssystem gar nicht. Vor ca. 500 Jahren boten "Heilsversorger" in schwarzen Soutanen ihren Schäflein an, für einen kleinen Obolus ihre Seele in den Himmel zu befördern. Man erinnert sich: "Wenn das Geld im Kasten klingt..."

Der Ablasshandel ist wieder auferstanden.

Sonntag, 20. April 2008

Casting

Casting ist in. In populären TV-Shows "castet" Heidi Klum jugendliche Bewerber auf ihre Tauglichkeit als Models, Thomas Gottschalk sucht Talente für Musicals und Dieter Bohlen, der König des casting, übertrifft alle mit seiner Show "Deutschland sucht den Superstar", kurz DSDS. Ursprünglich kommt casting aus der Filmbranche und bedeutet Rollenbesetzung durch geeignete Schauspieler. Am Erfolg der Filme "Ben Hur" und "Goldfinger" hatte das casting mit den Schauspielern Charles Heston und Gert Fröbe sicherlich grossen Anteil.
Aber auch die Personalabteilungen von Firmen kann man als casting-Büros ansehen. Dort bemüht man sich, die Anforderungen eines Jobs mit dem Profil der Bewerber in Einklang zu bringen. Baufirmen suchen in der Regel Bauingenieure, Computerfirmen suchen Informatiker und so weiter.

Es ist reizvoll - und der Inhalt dieses blogs - die Personalausstattung von Städten auf der Ebene der Bürgermeister mit dem Anforderungsprofil der Ämter, sprich Dezernate, zu vergleichen. Nehmen wir beispielsweise Karlsruhe, eine Gemeinde mit 300.000 Einwohnern und mit einem Etat von ca. 1 Milliarde Euro pro Jahr. Diese nicht unerhebliche Summe wird im wesentlichen über Steuern eingenommen und für Personal, Betrieb und Investitionen der Kommune wieder ausgegeben. Der grösste Teil dieses Geldes sind sogenannte Durchlaufposten, an denen nicht viel zu verändern ist, etwa die Ausgaben für Lehrer, Polizisten etc. Aber das gilt nicht für die Investitionen, welche das zukünftige Bild der Stadt prägen. In der Regel sind dies grössere Bauvorhaben wie Schwimmbäder, Sportstadien und Strassen, wo man sehr wohl gestalterisch eingreifen kann und zwar sowohl auf der technischen wie auf der betriebswirtschaftlichen Seite.

Die grösste Karlsruher Investition in der jüngeren Zeit war die Neue Messe in Rheinstetten. Es ist bekannt, dass es ein finanzielles Desaster war, mit enormen Überschreitungen der vorher angesetzten Bausumme. Die damals verantwortliche Bürgermeisterin und Dezernentin hiess Heinke Salisch. Vom Gemeinderat wurde sie mit diesem Vorhaben betraut - ungeachtet der Tatsache, dass sie von der Ausbildung her Dolmetscherin war und die meiste Zeit als Europaabgeordnete verbracht hatte. Das Anforderungsprofil für diesen Job hatte mit dem Bewerberprofil nur wenige Berührungspunkte und so nimmt es nicht Wunder, dass ihr Abgang vom Bürgermeisteramt etwas abrupt geschah. Frau Salisch hat danach ihren Wohnort in die Pfalz verlegt, betreibt dort die Galerie "Kidsch" (Kunst in der Scheune) und fühlt sich dabei offensichtlich wohl, wie ihr Wahlspruch "Das Neue geniessen" vermuten lässt.

Das Ressort "Bauen und Planen"wurde danach an Ulrich Eidenmüller übertragen. Er war im Laufe seines 24jährigen Dezernentendaseins zuständig für die Kliniken, die Kultur, die Umwelt, den Müll, die Feuerwehr, die Schlachthöfe, die Friedhöfe und vieles andere mehr. Als studierten Juristen konnte ihn offensichtlich keine Aufgabe in Verlegenheit bringen. Sein Wahlspruch, echt badisch: "Leben und leben lassen".

Als mächtiger (Doppel-) Bürgermeister für Wirtschaft und Finanzen agierte ab dem Jahr 2000 bis vor kurzem Manfred Groh. Für ihn ein gewaltiger Karrieresprung, denn vorher hatte er sechs Jahre lang als Prokurist bei einer Parkraumgesellschaft gedient. Sein Wahlspruch lautete: "Wer nicht handelt, dem wird auch der Himmel nicht helfen", womit er als Nichtakademiker immerhin Sophokles bemühte. Aber auch er konnte die jährlichen Betriebsverluste bei der Neuen Messe in Höhe von 12 bis 15 Mio Euro nicht verhindern, sodass sich sein Verhältnis zum Oberbürgermeisterchef Heinz Fenrich immer mehr abkühlte und er als Landtagsabgeordneter nach Stuttgart rangiert wurde.

Die derzeitige Bürgermeisterin für Wirtschaft und Finanzen ist Frau Margret Mergen. Sie besitzt sogar ein Diplom von der Universität Münster - allerdings in Geografie. Unter dem vormaligen OB Gerhard Seiler war sie Trainee in der Stadtverwaltung und brachte es immerhin bis zur Stadtkämmerin. Ihre Bewährungsprobe wird kommen, wenn die Tunnelprojekte und das Stadion zur Finanzierung anstehen. Über einen Wahlspruch ist bei Frau Mergen nichts bekannt.

Siegfried König ist erster Bürgermeister und einer der dienstältesten Dezernenten. Er hat den ehrenvollen Beruf des Grund- und Hauptschullehrers erlernt und auch jahrelang ausgeübt. In seinen Bereich fallen u.a. die städtischen Bäder und somit auch das kürzlich eröffnete "Europabad". Diese Schwimmanstalt wurde in den Zeitungen heftig kritisiert, da sie mit erheblichen Mehrkosten und erst nach monatelangen Verzögerungen in Betrieb genommen werden konnte. Und, wie in vielen Leserbriefen zum Ausdruck kam, weil sie bei der Einweihung technisch erst "halb fertig" war. Letzteres wird vielleicht verständlich, wenn man Königs eigenes Lebensmotto kennt, das da lautet: Nur wer das Unmögliche will, erreicht das Mögliche". "

Nach dem Abgang von Ulrich Eidenmüller und demnächst auch von Siegfried König, werden in diesem Jahr drei neue Bürgermeister ihr Amt übernehmen. Klaus Stapf ist bereits benannt worden. Der hoch aufgeschossene Konzernbetriebsratsvorsitzende lebt nach dem Motto: "Sich nicht klein kriegen lassen, gut leben". Im Sommer soll ein weiterer Bürgermeister gekürt werden, nämlich Wolfram Jäger, seines Zeichens Richter an einem Amtsgericht. (Motto: "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg"). Und im Herbst - man ahnt es schon - kommt noch ein Jurist auf die Bürgermeisterbank. Es ist Michael Obert von der Landesversorgungsanstalt, der nach der Devise lebt: "In der Ruhe liegt die Kraft". Alle genannten Herren, und auch Frau Mergen, sind ehrenwerte Persönlichkeiten, gewiss. Wer von diesen das 500 (oder vielleicht schon 800) Millionen schwere Projekt der Stadtuntertunnelung verantworten soll, liegt in der Entscheidung des OB und des Gemeinderats. Ein Baufachmann ist jedenfalls darunter nicht zu finden.

Inzwischen beobachten die Karlsruher Bürger mit Besorgnis und wachsendem Unmut den Probelauf eines Projekts, das um den Faktor 10 kleiner ist, nämlich des Fussballstadions. Oberbürgermeister Heinz Fenrich, seines Zeichens Finanzwirt (FH) und Reserveoffizier hat sich seiner angenommen und es zur Chefsache erklärt. Seit fast zwei Jahren verhandelt er mit dem KSC und den übrigen Beteiligten. Inzwischen sind die Kosten von 58 auf 75 Millionen Euro angestiegen, viele ungelöste Knackpunkte tun sich noch auf, ja sogar die Standortfrage wird wieder diskutiert. Von der Lokalzeitung BNN nach den Aussichten der Verhandlungen befragt, gab Oberbürgermeister Fenrich offen zu: "Ich bin mit meinem Latein am Ende".

Wie lautet doch unser Wahlspruch? "Karlsruhe - viel vor, viel dahinter"

Sonntag, 13. April 2008

Rotter Stammtisch Gespräche 2

Hallo Freunde,

heute ist der 12. April und Joschka Fischer feiert seinen 60. Geburtstag... schade, dass er nicht Mitglied unseres Stammtischs ist, müsste bös blechen... mit seiner Rente als Aussenminister würden wir ihn nicht in Verlegenheit bringen... schon toll, wie sich dieser Bursche hochgearbeitet hat... als Sohn eines ungarisches Metzgers... mit Migrationshintergrund, gewissermassen...
aber im Schwabenland geboren... wer weiss das schon... ja im hohenlohischen Gerabronn... und dort viele Jahre braver Ministrant... Weihrauch war seine Einstiegsdroge... Haschisch und Marihuana kamen später hinzu... auf die Penne ist er auch gegangen... im Stuttgarter Gottlieb-Daimler-Gymnasium... allerdings nur bis zur Untersekunda... die Sechser in Physik und Mathematik konnte er nicht ausgleichen... behinderten aber nicht seine Karriere als späterer Umweltminister... erklären aber seine technischen Äusserungen zur Sicherheit der Kernkraftwerke Biblis und Kalkar... soweit sind wir noch nicht, Kollegen... vorher versuchte sich Klein-Joschka noch als Azubi bei einem Fotografen... gewissermassen in der Medienbranche... und heiratete seine 17jährige Edeltraut, ganz romantisch, im schottischen Gretna Green... sinnigerweise war sie die Tochter eines Stuttgarter Polizisten... aber dann wurde ihm Stuttgart doch zu eng und er ging nach Frankfurt... in eine WG mit Daniel Cohn-Bendit... Dany le Rouge, dem Ober-Sponti... spontifex maximus... und hörte Gastvorlesungen bei Adorno und Habermas... es geht eben nichts über eine gediegene Halbbildung... zum Broterwerb übersetzte er auch Edelpornos... und demonstrierte mit den 68ern... und prügelte sich mit Polizisten... gelegentlich nur, wie er später einräumte...aber schliesslich brachte er es doch zu einem ehrbaren Beruf...als geprüfter Taxifahrer... kurvte 5 Jahre lang durch alle Frankfurter Ecken... zumeist als Nachtfahrer... bis 1980 die Grünen aufkamen... und in der Karlsruher Stadthalle ihre Partei gründeten... und Joschka bei den vorgezogenen Bundestagswahlen 1983 als Abgeordneter ins Bonner Parlament einziehen durfte... wo er gleich einige bedeutsame Reden hielt... zum Beispiel gegen den NATO-Doppelbeschluss...und dabei den Bundestagspräsidenten Richard Stücklen mit dem später gefügelten Wort attackierte: "Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch"... aber schon nach 2 Jahren war die spannende Zeit in Bonn zu Ende und Joschka musste einem unbekannten Nachrücker weichen... denn damals galt bei den Grünen noch das strikte Rotationsprinzip!



Joszef Fischer war frustriert... aber nicht lange... denn in Hessen... seinem eigentlichen Heimatland... regierte seit 18 Monaten... geschäftsführend nur... der Ministerpräsident Holger Börner... auch bekannt als Dachlatten-Börner... ja, und der entschloss sich endlich die Grünen als Koalitionspartner in die Regierung zu nehmen... wo man unter anderem einen Umweltminister brauchte... und das wurde eben Joschka Fischer... der auch gleich republikweit Aufsehen erregte als er bei der Vereidigung in neuen, weissen Turnschuhen erschien... womit die Medien ihren "Turnschuhminister" hatten... für den aber auch sonst alles neu war... denn das Umweltministerium war eben erst gegründet worden... ohne personellen Unterbau... und ohne juristisch geschulte Referenten... das heisst, es ging dort ziemlich chaotisch zu... und 5 Monate später explodierte auch noch der russische Reaktor in Tschernobyl... wozu von den Grünen wenig Substanzielles kam... ausser eben "Atomkraft, nein danke"... zumeist operierte man in der Umweltpolitik mit der kollektiven Angst der Menschen... Angst vor dem Waldsterben, vor der Volkszählung, vor dem BSE... und später vor der Vogelgrippe und den Mobilfunkstrahlen... weshalb die Amerikaner und Briten kopfschüttelnd von der "German angst" sprachen... und die Franzosen süffisant von "l ángst"... und Joschka hielt nach Kräften gegen all diese wirklichen und vermeintlichen Umweltgefahren... gegen die Umweltgifte des Chemiekonzerns Hoechst... mit der Folge, dass dieser nach Frankreich umsiedelte... und gegen die Plutoniumfertigung bei der Hanauer Firma Nukem/Alkem... denen wollte er keinesfalls die atomrechtliche Genehmigung zur Produktion von Mischoxidbrennstäben, sprich MOX, erteilen... und kam dabei übers Kreuz mit seinem Chef Holger Börner, der für diese Genehmigung war... was die beiden so aneinander geraten liess... dass Joschka aus dem Kabinett gefeuert wurde... nach kaum eineinviertel Jahren als Minister... denn der Ober sticht eben den Unter... womit aber auch die hessische Koalition zwischen der SPD und den Grünen geplatzt war.



Und so kam es im April 1987 zu Neuwahlen... aber die Hessen hatten Nase voll von der rotgrünen Chaostruppe... und wählten diesmal die CDU mit absoluter Mehrheit... womit Wallmann Ministerpräsident wurde... der Weimar als Umweltminister bestellte... und Dr. Manfred Popp als Staatssekretär, insbesondere für nukleare Fragen... Popp, den späteren Chef des Karlsruher Kernforschungszentrums?... Richtig, er wurde aus dem Bonner Forschungsministerium geholt und sollte Weimar zur Hand gehen, denn Wallmann hatte wenig Ahnung von kerntechnischen Dingen... obwohl er doch der Erfinder des sogenannten Wallmann-Ventils war... ja, damit wollte man bei Störfällen den Reaktorkessel entlasten... was aber eine ziemliche Kateridee war... aber die neue Regierung stand der MOX-Technologie in Hanau natürlich positiv gegenüber... war ja auch sinnvoll, das in Leichtwasserreaktoren zwangsweise erzeugte Plutonium nicht teuer zu lagern... sondern nach Beimischung von Uran zu Mischoxidbrennstäben zu verarbeiten... und in LWR und Brütern abzubrennen... so machte sich eben Popp zügig ans Werk... mit seinem personell aufgestockten Ministerium... und siehe da, im Laufe der nächsten 4 Jahre war die atomrechtliche Genehmigung für die MOX-Stäbe ausgearbeitet und erteilt... und der Alkem-Chef Stoll hätte mit der Produktion seiner Brennstäbe beginnen können.



Hätte! Aber dazu kam es nicht... denn bei der Landtagswahl 1991 wechselte wieder mal die Regierung in Hessen... denn es kam zu einer Neuauflage der rotgrünen Koalition... diesmal aber mit Hans Eichel als Ministerpräsidenten... und wieder mit Joschka Fischer als Umweltminister... und der hatte mächtig aus seinen früheren Fehlern gelernt... denn die Feinheiten des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens waren ihm nicht mehr fremd... weshalb er sich gleich Popp´s Mox-Genehmigung vornahm... und sie nach allen Regeln der Kunst zerpflückte... denn Popp waren offensichtlich eine Reihe verfahrenstechnischer Fehler unterlaufen, insbesondere im Bereich der Dokumentation... und das war dann schon das Ende vom Lied... die MOX-Genehmigung war nicht gerichtsfest und musste aufgehoben werden... womit das Ende der Plutoniumtechnologie bei Alkem gekommen war... denn die Hanauer Firma musste die bereits fertig gestellte Anlage stilllegen... und durfte sie bis heute nicht mehr in Betrieb nehmen... obwohl der spätere Bundeskanzler Gerhard Schröder sie nach China verscherbeln wollte... was aber sein Vizekanzler Fischer zu verhindern wusste.


Aber zurück ins Jahr 1991 und zu ex-Staatssekretär Dr. Popp... dieser aus dem Amt Gedrängte brauchte nun einen neuen Job... in Bonn wollte man ihn wohl nicht mehr... und so wurde er nach Karlsruhe abgeschoben... auf den einträglichen Posten eines Vorstandsvorsitzenden des Kernforschungszentrums... obwohl die Medien skeptisch waren... denn Popp hatte sich durch die fehlgeschlagene Alkem-Genehmigung ja keineswegs mit Ruhm bekleckert... was auch die konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ in einem vielbeachteten Artikel monierte... wonach Popp nicht die hinreichende Qualifikation für diese Position habe... und in die Alkem-Nukem-Affäre verstrickt sei... aber egal, die Bonner drückten seine Ernennung eben durch... und Popp gerierte sich in Karlsruhe bald wie ein Grüner... indem er die Kerntechnikprogramme scharf reduzierte... und sogar den Namen Kernforschungszentrum abschaffte... unter dem die KfK international bekannt war... zugunsten der sterilen Bezeichnung Forschungszentrum... und beim Fest zum 50jährigen Jubiläum erwähnte er die Grossprojekte Wiederaufarbeitung, Brüter und Entsorgung überhaupt nicht mehr... und kaum einen seiner Vorgänger im Vorstand... stattdessen fing er die Schäkerei mit KIT an, dem Karlsruhe Institute of Technology... nach dem Motto "wir wollen heiraten"... denn die Karlsruher Uni, diese passable, aber eher mittelmässige Institution, hatte sich im Rahmen der Exzellenzinitiative um Höhergruppierung beworben... konnte aber nur eine mickrige Graduiertenschule in Photonik und ein Nano-Cluster mit der FZK vorweisen... aber das Forschungszentrum, pardon Popp, war grosszügig genug, der Uni die Fusion mit der FZK anzubieten... was dann schliesslich aus der simplen Uni eine Elite-Uni machte... und das Forschungszentrum degeneriert immer mehr zum Campus-Nord... von Hipplers Gnaden... seitdem meinen einige Profs ihre aufs Doppelte geschwollene Institution sei das Massachusett Institute of Technology... aber vermutlich gilt auch hier Goethes Wort "Getretener Quarck wird breit nicht stark"... und Popp, bald nach dem oben genannten Jubiläum in die Rente geschickt... und nicht mit dem ersehnten Beratervertrag verlängert... und auch nicht mit dem Bundesverdienstkreuz behängt... ist endlich verdienterweise Privatmann.



Zurück zum Jubilar Joschka Fischer... der war bekanntlich ab 1991 zum 2. Mal Umweltminister in Hessen... aber er hielt es dort nicht lange aus... denn 1994, nach der Bundestagswahl, liess er sich in Berlin zum Fraktionsvorsitzenden der Grünen wählen... und löste sofort eine heftige innerparteiliche Debatte aus, als er sich zu militärischen Massnahmen in Bosnien bekannte... was ihm die Ökopaxe seiner Partei bis heute nicht verziehen haben... und sogar mit Farbbeutel gegen sein Ohr revanchierten... doch wer hätte damals gedacht, dass Joschkas eigentliche Karriere noch bevorstehen würde... in der er 1998 zum Aussenminister und Vizekanzler in der rotgrünen Regierung Schröder berufen wurde... und es blieb bis zum Rücktritt Schröders 1995... nach der Wahlsieg von Angela Merkel... wobei wir nicht verhehlen wollen, dass er mit der sogenannten Visa-Affäre nochmal eine schwierige Sitaution zu überstehen hatte, die ihm einige Beliebtheitspunkte kostete... aber egal, im September 2006 legte er auch sein Bundestagsmandat nieder... und übergab es an seinen allseits bekannten Nachrücker Omid Nouripour... immerhin brachte es der Privatmann Fischer bislang auf 5 Ehen... nach eigenem Eingeständnis ist er eifersüchtig wie ein Sizilianer... und ist immer noch Mitglied der katholischen Kirche... die er als älteste Machtinstitution respektiert... und von der er sagt: "da bin ich nicht eingetreten, da trete ich auch nicht aus"... nun tourt Joschka seit 2 Jahren um den Globus als vielgefragter Gastredner... hat sogar die Beraterfirma "Joschka Fischer Consulting" gegründet... was sicherlich gut ist für seine Steuererklärung... und sammelt in aller Welt Ehrendoktorate und Professorentitel... aber als besonderen Dank für seinen Einsatz als hessischer Umweltminister haben die Biologen eine fossile Schlange nach ihm benannt:

"Palaeopython Fischeri"

Dienstag, 1. April 2008

Rotter Stammtisch Gespräche 1

Willy: Hallo Freunde, unser Rotter Stammtischlokal wird berühmt. Letzte Woche wurde der "Waldfrieden"sogar im Fernsehen abgelichtet.

Gerhard: Du meinst in "plusminus"; habe die Sendung auch gesehen. Da wurde wieder mal der Prozess unseres Wirts wegen der falschen Seezunge aufgewärmt.

Dieter: Erstaunlich, welche Kreise dieser Fall gezogen hat. Dabei ging es doch nur darum, dass unser Restaurant-Chef Werner Roth anstatt Seezunge - wie deklariert - Pangasius verkauft hat.

Hartmut: Und juristisch gesehen noch nicht einmal betrogen hat, denn die angebliche Seezunge war mit schlappen 9 Euro auf der Karte ausgezeichnet; eine wirkliche würde mindestens 20 bis 25 kosten.

Horst: Aber wir Deppen haben See- und Süsswasserfisch nicht auseinander halten können.

Paul: Richtig, die Seezunge ist ein Plattfisch und kommt im Salzwasser vor, während dieser komische Pangasius in Vietnam in Becken gezüchtet wird. Und zur Familie der Welse gehört.

Herbert: Ich bezweifle, dass viele von uns in der Lage sind, verschiedene Fischfilets auseinander zu halten. Ob Seelachs, Heilbutt, Kabeljau - die sehen doch alle der Seezunge und dem Pangasius verteufelt ähnlich.

Theo: Und wenn sie erst paniert sind, dann kann sie kein Mensch mehr unterscheiden. Darauf beruht doch letztlich der Erfolg der Fischstäbchen.

Hans-Jürgen: Mit dem Fleisch ist es da ganz anders. Jeder kann Rindfleisch von Lamm oder Hühnchen gut auseinander halten.

Günter: Aber man müsste es doch zumindest schmecken, wenn einem Süsswasserfisch anstatt Salzwasserfisch aufgetischt wird.

Willy: Kaum. Nach 30 Jahren KfK-Kantine, wer ist da schon noch im Besitze seiner Geschmacksnerven? Die wurden doch alle auf BAT-Niveau abgehobelt.

Helmut: Habe mir sagen lassen, dass selbst die Lebensmittelkontrolleure Probleme haben, die einzelnen Fischsorten auseinander zu halten. Im Zweifelsfall machen sie chemische Proteinanalysen. Deshalb gibt es auch so viele Schummeleien in den Fischlokalen.

Willi: Am besten kann man sich noch über den Preis orientieren. Eine Seezunge für 10 Euro kann nie und nimmer eine Seezunge sein.

Harry: Wie eine Rolex für 20 Euro eben nur eine chinesische Rolex ist.

Werner: Dann wundert mich aber, warum man unseren Wirt zu einer solch hohen Strafe verdonnert hat. 230.000 Euro sind ja kein Pappenstiel.

Gerhard: Der Staatsanwalt soll sogar satte 700.000 gefordert haben.

Willy: Das stimmt. Angeblich konnte man aus der Buchhaltung feststellen, dass 74.000 Portionen Pangasius verkauft worden sind. Multipliziert mit 9 Euro ergibt das etwa 700.000 Euro. Das Gericht war also vergleichsweise milde mit seinem Urteil.

Dieter: Verstehe ich trotzdem nicht. 700. 000 ist doch der ganze Umsatz. Der Reingewinn ist vielleicht ein Zehntel davon, also ca. 70.000, beziehungsweise 23.000, wenn man das Urteil zugrunde legt.

Hartmut: Habe mir sagen lassen, dass in solchen Fällen die ganze Summe, also der Umsatz eingezogen wird. Die Juristen nennen das "Verfall" und es soll sogar im Strafgesetzbuch stehen.

Paul: Im deutschen Strafgesetzbach. Mein gesunder Menschenverstand sträubt sich gegen ein solch hartes Urteil. Mit den Gerichtskosten und den Anwaltsgebühren kommt unser Wirt da locker auf 300.000 Euro Strafe. Wie soll er das in seinem restlichen Berufsleben wieder reinholen können?

Herbert: Da müsste er ja Tag und Nacht für den Staat arbeiten.

Helmut: Wäre er schön blöd. Aber was für einen Ausweg gibt es da noch?

Willy: Privatinsolvenz anmelden und das Geschäft an die Frau übertragen!

Horst: Und hoffen, das sich diese nicht scheiden lässt.