Dienstag, 8. Januar 2008

Füttern verboten!

Wer kennt ihn nicht, den ehedem allgewaltigen und wohlgerundeten Generaldirektor der Energiewerke Baden-Württemberg, Herrn Professor Dr. Utz Claassen. Seit einigen Monaten ist er freiwillig zum Frührentner geworden, weil der Aufsichtsrat nicht rechtzeitig seinen Vertrag verlängert hat. Sein (unheimlich starker) Abgang hat Utz zu einer jährlichen Dauerrente von 400.000 Euro verholfen - bis zum 63. Lebensjahr. Was sind wir doch für Schlaffis dagegen, mich eingeschlossen!

Im Jahr 2003 erschien Utz Claassen in Karlsruhe und wurde, angeblich auf Empfehlung des damals noch dahinregierenden BuKa Schröder, Vorstandsvorsitzender unseres regionalen Stromversorgers EnBW. Und sofort stellte er fest, dass das gute alte Badenwerk samt Zusatzgesellschaften ein Sanierungsfall war. Potzblitz! Das hatte bislang niemand in Karlsruhe und Umgebung erkannt. Wie es sich für einen gelernten Sanierer und Controller gehört, entliess er zuerst fast die Hälfte des Personals aus dem Konzern, erhöhte die Strompreise und - siehe da - der Gewinn blähte fortan die Kassen der Firma. Zur Freude der Aktionäre, wovon fast die Hälfte Franzosen sind. Diese liessen sich denn auch nicht lumpen, sondern ernannten Utz noch zusätzlich zum französischen Direktor und der Aufsichtsrat gewährte ihm das sagenhafte Gehalt von viereinhalb Millionen Euro pro Jahr. Sein Vorgänger Gerhard Goll hatte den Job noch für schlappe 1 Mio Euro gemacht.

Aber wir sollten VV Claassen nicht zu sehr beneiden, denn er hat zwei schwere Jahre hinter sich gebracht und möglicherweise stehen weitere bevor. Er wurde nämlich jüngst vor den Kadi, sprich: die 3. Grosse Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe unter dem Vorsitzenden Richter Hans Fischer zitiert. Und das auf Betreiben der Staatsanwaltschaft, deren Gerichtsvertreterin auf den schönen Namen Yasemin Tüz hört. Aber schildern wir die Dinge der Reihe nach.

Es begann in der hektischen Vorweihnachtszeit im Dezember 2005. Herr Claassen hatte 700 Bekannte selektiert, die er mit eigenhändig unterschriebenen Weihnachtskarten erfreuen wollte. (Ich, obschon jahrelang Stromkunde seiner Tochterfirma Yello, war nicht darunter.) Und da die Menschen geschenkegierig, aber eben nicht ranggleich sind,waren, in feiner Abstufung allerlei Geschenke vorbereitet. Schöne Bildbände, Kisten guter badischer und württemberger Weine - und, das Spitzenpräsent: Tickets für Logenplätze der mitte 2006 in Deutschland stattfindenden Fussballweltmeisterschaft. Ministerpräsident Oettinger erhielt solche Eintrittskarten, er schickte sie aber gleich wieder dankend zurück; vielleicht hatte er schon anderweitig welche erhalten, oder er roch den Braten.

Wer dankend annahm und sich ehrlich darüber freute, war Matthias Machnig aus Berlin. Sollten die Leser dieses Blogs noch nichts von ihm gehört haben, so ist das keine grosse Wissenslücke.

Machnig gehört der grauen Masse von circa hundert Staatssekretären an, die vorgeben, in Berlin zu unser aller Nutzen für die Bundesregierung zu werkeln. Als langjähriges SPD-Mitglied ist er im Umweltministerium gelandet, wo er unter Minister Gabriel seinen Dienst versieht. Aber nun kommts: Machnig ist kein politischer Staatssekretär, sondern ein beamteter und unterliegt damit den einschränkenden Beamtengesetzen. Als solcher hätte er allenfalls den berühmten Kugelschreiber oder einen Billigkalender annehmen dürfen - keinesfalls jedoch Tickets im Wert von etwa 2.500 Euro! Deswegen geriet er in die Fänge der Karlsruher Staatsanwaltschaft. Machnig, ein kluger Junge, sah seinen Fehler rasch ein und zahlte eine Art Geldstrafe von ebenfalls 2.500 Euro, womit er seinen schönen Job rettete.

Aber Yasemin und ihre Crew bohrte weiter. Sie fanden heraus, dass der Oberbeamte Machnig in Berlin einen Aufgabenbereich hatte, der ihn zu einem sehr wichtigen Mann für Utz Claassen machte. Machnig war nämlich zuständig für die Sicherheit und Genehmigung der deutschen Kernkraftwerke sowie für den Preis, welchen die Betreiber von Kohlekraftwerken bezahlen müssen, um die Luft verschmutzen zu dürfen. Emissionshandel nennt man dies im Ministerium Gabriel; die Bezeichnung Ablasshandel wäre dafür wohl besser angebracht. Und wenn man sich noch erinnert, dass auch die Kernkraftwerke der EnBW in Phillipsburg und Neckarwestheim nicht immer störungsfrei laufen, so kann sich jeder seinen Teil denken.

Jedenfalls setzte die Staatsanwaltschaft durch, dass Utz Claassen im November 2007 über zwei Wochen der Prozess gemacht wurde. Sie warf dem ex-EnBW-Chef "Vorteilsgewährung" gegenüber dem Beamten Machnig vor, was nach Paragraf 333 des Strafgesetzbuchs mit einer Geldstrafe oder sogar einer Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren bestraft werden kann. Vorteilsgewährung ist nach dem deutschen Strafrecht eine Vorstufe der Bestechung. Strafbar ist es schon, wenn jemand einem Beamten Geschenke macht; dieser muss gar keine Gegenleistung dafür erbringen. Der Gesetzgeber will damit die sogenannte "Klima - oder Landschaftspflege" verhindern, also das"Anfüttern"von beamteten Entscheidungsträgern mit der wahrscheinlichen Folge, dass es später doch noch zu illegalen Gegenleistungen kommt.

Utz Claassen rückte beim Prozess mit drei deutschlandweit bekannten, professoralen und adeligen, Strafverteidigern an, die durch weitere hochrangige Gutachterkollegen unterstützt wurden. (Würde mich wundern, wenn sie nicht allesamt irgendwo auf meiner Stromrechnung auftauchten.) Und die Juristen waren ihr Geld wert. Sie paukten den Rentner Claassen heraus.

Das Urteil war: Freispruch! Nicht aus Mangel an Beweisen, sondern einfach: Freispruch. Und Claassen setzte sogar noch eins drauf. Strotzend vor Selbstbewusstsein stand er auf der ersten Stufe vor dem Landgericht und kommentierte den zahlreichen Medienvertretern den Prozessausgang mit folgenden Worten: "Meine Damen und Herren, das ist ein Freispruch allererster Klasse." Überflieger Claassen, Abiturnote 0,7 (allerdings in Niedersachsen, nicht in Bayern) gibt sich eben nicht mit halben Sachen zufrieden.

Ich habe den Prozess von der Zuschauerbank verfolgt und mitgehört, soweit dies möglich war. (Es ist eine unglaubliche Missachtung des Souveräns und Steuerzahlers, dass in dem akustisch total misslungenen Schwurgerichtssaal die installierten Mikrofone und Lautsprecher ausgeschaltet waren und das Gericht nur im Flüsterton vernehmbar war.) Besonders gespannt war ich darauf, wie Claassen und seine Anwälte die Versendung der WM-Tickets an Machnig begründen würden. Das geschah folgendermassen: Claassen schilderte über 30 oder 40 Minuten hinweg die Prozedur, wie er in seinem Büro die 700 Weihnachtskarten unterschrieb. Für die wenigen Empfänger der WM-Tickets wurde ein gelber Klebezettel eingeklebt, um sie im angrenzenden Vorstandssekretariat mit den wirklichen Tickets auszutauschen. Und dann passierte das Desaster: auf dem Weg von Claassen zum angrenzenden Sekretariat fielen einige Unterschriftsmappen versehentlich herunter, versehentlich löste sich einer der gelben Klebezettel und klebte sich, justament und ebenfalls versehentlich, in die Weihnachtskarte des Beamten Machnig ein. Die Post wurde anschliessend nicht mehr auf ihre richtige Zuordnung hin kontrolliert, was vermutlich typisch für Vorstandssekretariate ist. Claassens frühere persönliche Referentin befand sich in Mutterschutz und konnte dazu nicht vernommen werden. Für einen Statistiker wäre es reizvoll, die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Vorfalls bzw. Störfalls zu errechnen.

Der Vorsitzende Fischer stellte bei der mündlichen Urteilsbegründung folgenden Leitsatz heraus: "In der Einladung eines Sponsors an hochrangige Amtsträger zu öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen ist grundsätzlich keine strafbare Handlung zu sehen."

Mit Verlaub und im Sinne einer jedem Staatsbürger zustehenden Urteilsschelte, da bin ich anderer Meinung , Herr Fischer. Sponsoring ist ein neues Finanzierungsinstrument, bei dem die Grenzlinie zwischen Legalität, Vorteilsgewährung und dreister Bestechung noch lange nicht gezogen ist und deshalb sollte das Sponsoring meiner Meinung nach endlich juristisch durchleuchtet werden.

Ich finde es deshalb gut, dass die Staatsanwältin Yasemin Tüz und ihre Anwaltsbehörde den Mut hatten, gegen dieses Urteil Revision beim Bundesgerichtshof einzulegen.

1 Kommentar:

  1. Ein Skandal, dass Claassen mit dieser laecherlichen Ausrede durchgekommen ist. Die Bestechung war nur ein Versehen. Ach Gottchen, wie konnte das nur passieren.

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