Donnerstag, 17. Januar 2008

Allerlei Probleme bei der Kernfusion.

Glaubt man den Brüsseler Hochglanzbroschüren, dann ist bei dem weltweit organisierten Projekt zur Kernfusion alles im Lot. Die liebe Sonne wird nachgeahmt, indem man auf Erden zwei Wasserstoffisotope sich vereinigen lässt, wodurch das hiesige Energieproblem auf Äonen hin beseitigt ist. Und - mit Blick auf die schreckliche Kerntechnik - es gibt keinen GAU a lá Tschernobyl und die Entsorgung ist sowieso gesichert.

Aber so einfach ist die Sache natürlich nicht. Jeder seriöse Fusionsforscher, und das sind die meisten, gibt zu, das es in dieser Technologie noch jede Menge Probleme zu lösen gibt. Unter ihnen sind etwa ein Dutzend sogenannter k.o.-Punkte, deren Lösung unabdingbar ist, weil sonst die Strommaschine nicht funktionieren kann. Die Stabilität des Plasmas ist an vorderster Stelle zu nennen, aber auch die Beherrschung der Tritiumtechnologie und die Verfügbarkeit von Werkstoffen, die hohe Strahlendosen aushalten.

Jawohl, richtig gehört, Strahlung gibt es bei der Fusion auch. Sogar Strahlung satt. Manche Schlitzohren verschweigen dies gelegentlich. In dem öffentlich zugänglichen Sachstandsbericht des Forschungszentrums Karlsruhe zur Kernfusion (TAB Nr. 75) steht zu lesen, dass ein Fusionsreaktor mindestens ebensoviel Radioaktivität beinhaltet wie ein Spaltreaktor, möglicherweise sogar um den Faktor 10(!) mehr. Nun ist natürlich Strahlung nicht gleich Strahlung. Es kommt auf die Halbwertszeit an, die biologische Wirksamkeit und anderes mehr.

Und wenn man über die Abwesenheit des Feststoffs Plutonium jubelt, so sollte man nicht das radioaktive Gas Tritium unterschätzen. Das ist auch ein Teufelszeug.

Und noch etwas kann man in dem erwähnten Bericht lesen: während der Betriebszeit eines zukünftigen Fusionsreaktors, das sind etwa 30 Jahre, muss man den Reaktor voraussichtlich 10 mal öffnen und insgesamt 25.000 Tonnen hochradioaktiver Komponenten - im Eiltempo - entnehmen und dafür Ersatz einbringen. Dabei handelt es sich im wesentlichen um Brutkomponenten und Divertoren, welche das Tritium erbrüten und schädliches Abgas fortleiten. Und diese Gewaltaktion soll in 3 bis 6 Monaten beendet sein, da sonst ja die Verfügbarkeit der Anlage leiden würde. Vergleicht man diesen Komponentenaustausch mit dem Abriss eines Kernkraftwerks, so ist letzterer ein Klacks. Und trotzdem dauert der Rückbau eines typischen Spaltreaktors mindestens 5 bis 10 Jahre - wobei nur 2-3.000 Tonnen an Material zu entfernen sind und man ihn vorher noch einige Jahre abklingen lässt.

Natürlich kann man beim Fusionsreaktor diese Intervention nur fernbedient mit eigens (in Japan und England) entwickelten Robotern angehen. Aber diese hat man ja nur an sehr schwach radioaktiven Materialien testen können. In der Realität werden die Blanket- und Divertormoduln nicht nur extrem radioaktiv sein, sondern sie werden auch klemmen oder sogar verschweißt sein, weil die vielen schnellen Neutronen die Diffusion der Materialatome drastisch erhöhen und die Masshaltigkeit der Komponenten verändern. Wir haben dies beim Schnellen Brüter gelernt, aber dort waren die Bestrahlungswerte, gemessen in dpa, noch viel geringer. Der Umbau einer Roboteranlage, auch das haben wir beim Abriss der Spaltreaktoren leidend erfahren, ist nicht in Zeiträumen von Monaten, sondern mit ein oder mehreren Jahren anzusetzen. Wenn das bei den zukünftigen Fusionsreaktoren geschieht, wo bleibt dann aber ihre Verfügbarkeit? Dieser oftmalige Umbau des Herzstücks der Fusionsstromanlage wird zukünftige Betreiber nicht erfreuen. Vielleicht ist das der Grund, weshalb sich die EVU weder personell noch finanziell an der Fusionstechnologie beteiligen.

Der Bau einer Bestrahlungsanlage ("IFMICH") ist geplant und sicherlich notwendig. Das Verhalten der Materialien unter 14 MeV-Neutronen und hohen Dosen kann nicht mehr aus den früher gewonnenen Brüterdaten extrapoliert werden. Wie man hört, soll sie entweder in Japan oder im Forschungszentrum errichtet werden. Dem FZK wäre diese Aufgabe zu gönnen; die vielen dort ansässigen Ingenieure und Materialforscher könnten diese Arbeit sicherlich - technisch - lösen. Aber wäre sie in unserem Lande auch genehmigungstechnisch zu bewältigen? Die jüngsten negativen Erfahrungen mit der Verglasungsanlage an der WAK lassen Zweifel aufkommen. IFMICH würde von der Genehmigungbehörde sicherlich als eine kerntechnische Anlage im Sinne des Atomgesetzes betrachtet und entsprechend rigide behandelt werden.

Die dauernden technischen und terminlichen Umplanungen der Kernfusion, meist von Brüssel verlangt, haben dem Projekt nicht gut getan. In den 90er Jahren wurde ITER von 7 Milliarden Euro auf bare 3,5 Milliarden "abgespeckt", mit der Folge, dass wichtige Komponententests, wie die der Brutblankets weitgehend aussen vor bleiben. Nun sind die Kosten dieser Magerversion trotzdem schon wieder auf 5 Mrd. geklettert und bald werden es wohl wieder die ursprünglichen 7 Mrd. sein.

Eine Schnapsidee besonderer Art ist der sogenannte "Fast Track". Um das Jahr 2025 will man gegebenenfalls die beiden nachfolgenden Grosskraftwerke DEMO und PROTO weitgehend parallel errichten und nicht hintereinander, wie früher geplant. Damit vermeidet man die "50 Jahre in der Zukunft", mit denen die "Fusionäre" bislang immer gefrozzelt werden. Aber was heisst das? 2025 werden erst wenige Betriebserfahrungen aus ITER und nahezu nichts aus IFMICH angefallen sein. Mit so einer rudimentären Datenbasis will man 2 Grosskraftwerke bauen, von denen jedes mindestens 15 Milliarden Euro kosten wird? Bei einer solchen Terminplanung muss Panik eine Rolle gespielt haben. Panik vor der befürchteten gewaltsamen Beendigung des Fusionsprojekts durch die Politik, weil man nicht rechtzeitig liefern konnte.

Die Bruchkanten des Gesamtprojekts zeichnen sich jetzt bereits ab. Das derzeitige Teilprojekt ITER - mit einem Diplomaten(!), keinem Techniker, an der Spitze - hat nicht das notwendige Tempo, sondern dümpelt eher dahin. Viele, zuviele Partner und zuviele Standorte machen eine effiziente Projektkoordination fast unmöglich. Die Chinesen (und die Inder) sind als letzte Partner dem ITER schnell noch beigetreten. Wie man hört "sammeln" sie eifrig die Notizen der anderen Partner mit dem über die Jahre angesammelten know-how. In China haben sie inzwischen eine eigene Tokomak-Anlage errichtet. (Transrapid-Schanghai lässt grüssen!)

Wenn ITER nicht ein grandioser Erfolg wird - und das ist fast unmöglich, weil die Anlage zu klein ist und viele der zentralen Probleme nicht lösen kann - dann wird es ein schnelles Ende des internationalen Fusionsprojekts geben. China und Indien werden aussteigen und in ihren Ländern weitermachen; man hat inzwischen ja genug gelernt und gesehen. Die USA werden sich wieder auf ihre ohnehin mehr geliebte Trägheitsfusion mit militärischer Anwendung zurückziehen und die Russen machen ebenfalls allein weiter. Bleiben die Europäer, zerstritten wie immer - und ohne Geld. Denn 30 Milliarden Euro für den Bau von DEMO und PROTO werden weder die EVU noch die Regierungen spendieren.

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